Reisen ohne PartnerIn - niemals!

■ Das Seelen-Glück aus dem Computersystem – die Vermittlung von Reisepartnern als Geschäftsidee

„Also, wenn ein älterer Geschäftsmann anruft und will eine junge hübsche Begleiterin für seinen Trip nach Hongkong, da werden wir hellhörig. Und wenn er dann noch eine postlagernde Adresse angibt und die Reisekosten übernehmen will, kommt der gar nicht erst in den Computer.“ Alexander Keil, 29 Jahre alt, Betriebswirt, arbeitet in einer expandierenden Branche, der Reisepartnervermittlung. Seine kleine Wohnung in der Hastedter Heerstraße ist zugleich das Büro, von dem aus er Reiselustigen die ersehnte Urlaubsbegleitung besorgt. Er verschickt Fragebogen zwecks Erhebung aller nötigen Vermittlungsdaten, und ein Computer ordnet und sortiert dann und bringt zusammen, was, so Gott will, glücklich zusammen verreisen kann. Ein durchaus nüchternes Geschäft. Viele Kunden wenden sich an die Reisepartnervermittlung, um Fahrtkosten und Hotelzimmer zu teilen, viele auch, weil sie an abgelegenen Reisezielen nicht allein sein wollen und weil Disko, Radtour, Museumsbesuch und Sonnenbaden zu zweit mehr Spaß macht. „ Verlieben ist dabei natürlich nicht ausgeschlossen“, meint Keil, „aber das geht uns dann nichts mehr an“. Als aufmerksamer Leser des Wirtschaftsmagazin „Impulse“, war Alexander Keil schon als Student auf den Artikel „50 neue Geschäftsideen“ gestoßen und hatte daraufhin eine eigene kleine Agentur aufgemacht. Der Erfolg hielt sich allerdings in Grenzen, denn das Adressenrepertoire blieb viel zu spärlich und ließ keinen Spielraum für besondere Wünsche. Da schrieb ihn die aufsteigende „Atlas“-Reisevermittlung aus Osnabrück an: „Wir beobachten rege unsere Konkurrenz und machen Ihnen folgenden Vorschlag...“. Jetzt schickt Keil alle Daten seiner Kunden aus dem norddeutschen Raum in die Osnabrücker Zentrale, wo der Computer 10.000 Adressen aus ganz Deutschland im Netz hat. Und er verlangt ein Vermittlungshonorar, 60 Mark, vorab: „Davon kann ich jetzt leben“, auch wenn 300 Mark monatlich zu „Atlas“ nach Osnabrück gehen und rund 500 Mark Anzeigenkosten dazukommen. Siebzig Prozent seiner Kunden sind Frauen, von denen immerhin fünfzig Prozent eine männliche Begleitung suchen, vor allem, wenn es in den fernen Osten geht. Die Altersspanne insgesamt liegt zwischen 16 und 89 Jahren, die Hälfte aller derer, die eine andere Reisehälfte suchen sind 25 bis 45 Jahre alt. Aber auch die etwas älteren Herrschaften sind mit 17 Prozent vertreten. Sie allerdings suchen zumeist jüngere Mitfahrer, denn, so Keil: „Wenn sie schon selbst nachts ihr Gebiß rausnehmen müssen, so soll es ihr Nachbar nicht unbedingt genauso machen.“ Das sind aber eher die vorab-Bedenken. „Wir schicken eine breite Palette von Vorschlägen zu, da mischen wir die Alten einfach mit drunter, und nach der ersten Kontaktaufnahme sind solche Sachen oft gar nciht mehr wichtig.“ Der von allen Suchenden auszufüllende Fragebogen ist sachdienlich und läßt keinen Spielraum für voyeuristische Phantasien. Reiseziel- und dauer, Art der Übernachtung und des Gefährtes, touristische Interessen und gewünschtes Geschlecht, sowie das Alter des Partners können angekreuzt werden. Charakterliche Eigenschaften werden höchstens durch die Wahl der Optionen, „Raucher/in“, „Nichtraucher/in, „egal“ oder das moderate „Raucher/in nur, wenn rücksichtsvoll“ deutlich. Das Reiseziel „Mittelmeer“ liegt mit 22 Prozent der Wunschangaben an einsamer Spitze; gänzlich abgeschlagen mit einem Prozent ist der Ostblock, wobei sich diese Zahlen auf das Jahr 1992 beziehen. Immerhin fast 20 Prozent der Suchenden wagen die Angabe: Reiseziel egal. Auch wenn die meisten Reisen nur einen Urlaub lang gehen sollen, also drei bis vier Wochen, ist keineswegs chancenlos, wer einen Aussteiger für eine zweijährige Weltgondelei sucht, nur muß man bei solchen Extratouren flexibel sein, damit nicht etwa alles an der Frage „Raucher-Nichtraucher“ scheitert. Ausländische Mitbürger finden sich bezeichnenderweise kaum in der „Atlas“-Kartei: „Doch“, sagt Alexander Keil, „da waren mal zwei Italiener...“.

Für die hiesigen Türken, Jugoslawen, Polen scheint die Reisevermittlung weder in ihr soziales Leben zu passen, noch recht vom Ruch des Anrüchigen befreit zu sein. Dabei sind die Agenturen seit den ersten Gründungen Ende der 80ziger Jahre durchaus salonfähig geworden, mit „Bon Voyage“ in Berlin, Hamburg und Bremen, einer weiteren Vermittlung nur für Frauen und mehreren großen Agenturen in Süddeutschland, wo überhaupt die Lust aufs Reisepartner-Risiko viel ausgeprägter ist als im kühlen Norden. Noch nie, sagt Alexander Keil, habe es Beschwerden wegen sexueller Belästigung gegeben, Reklamationen gäbe es insgesamt kaum, weil dem Kunden herzlich angeraten wird, sich drei, vier Monate vor Reisebeginn zu melden und sich rechtzeitig zu einem Kennenlerntreffen zu verabreden. Wenn nach mehrmaliger Zusendung von Adressenbündeln nichts Passendes begegnet, bekommt der Suchende bis auf zehn Mark alles zurückgezahlt. Oder fliegt kalt aus dem Computer raus, wie eine Frau, „die wir geradezu zugebombt haben mit Vorschlägen und die nach 45 Treffen immer noch alle blöde fand.“

„Stiftung Warentest“ hat herausgefunden, daß die großen Reisevermittlungen sehr viel effektiver funktionieren als eine private Zeitungsannonce. Und noch dazu oft langjährige Reisefreundschaften stiften. Alexander Keil selbst allerdings mischt bei diesen „Paarungen“ nicht wirklich mit: „Ob Glück oder weniger Glück, ich bin es nicht, es ist das Programm in unserem Computer“.

Cornelia Kurth