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Preiskrieg bei Bioläden

■ Ein neuer Genossenschaftsladen macht Naturkostgeschäften Konkurrenz

Versteckt, im Hinterhof der Konkordiastraße 2, werden seit einem Monat Öko-Erzeugnisse zu wahren Dumping-Preisen verkauft, zur Freude der Verbraucher, aber zum Ärger der umliegenden Naturkostgeschäfte. Der Laden ist ein Genossenschaftsbetrieb der Wendland-Kooperative Hannover und bietet seine Produkte 20 bis 50 Prozent billiger als herkömmliche Bioläden an.

Das Angebot ähnelt dem von den etablierten Läden, es gibt Kosmetik, Gemüse, Schuhe oder Säfte. Rohmilchkäse kostet zum Beispiel 18 Mark pro Kilo, für einen Liter Öko-Vollmilch in der Glasflasche nehmen die Genossen 1,80 Mark. Voraussetzung, um in dem Laden einkaufen zu können, ist allerdings eine monatliche „Spende“ von 20 Mark je Haushaltsmitglied an den Verein „Fein Äten“. Außerdem muß man in der Wendland Kooperative Mitglied werden und einen Anteil von mindestens 100 Mark kaufen. Nur wer für mehr als 70 Mark im Monat dort einkauft, spart gegenüber normalen Bioläden.

Schon 150 erwachsene Mitglieder und 70 Kinder versorgt der Laden bereits kurz nach der Gründung, etwa 350 Erwachsene sollen es werden, sagt Brigitte Münch. Die 41-jährige ist im Vorstand der Wendland-Kooperative und als Ernährungsberaterin beim Verein „Fein Äten“ angestellt. Im Laden arbeite sie ehrenamtlich, erklärt die ehemalige Grundschullehrerin. Das neue Geschäft sei keine Konkurrenz für andere Naturkostläden, sondern richte sich vor allem an Familien und Studenten, die sich die teuren Bio-Produkte sonst nicht leisten könnten.

Kerstin, eine 30 Jahre alte Schneiderin, packt ihr Gemüse in einem Bastkorb. Sie hat „vorher immer in Supermärkten gekauft, weil Bioläden zu teuer sind“. Durch Freunde hat sie von dem Projekt gehört. Sie kauft jetzt hier regelmäßig, da sie nur zwei Straßen weiter wohnt. Gleich nach ihr zahlt die Sozialarbeiterin Beate an der Genossenschafts-Kasse. Auch sie wohnt um die Ecke und ist vor allem von der Geschäftsidee begeistert. Früher habe sie Milch, Gemüse und Säfte in Bioläden geholt, jetzt könne sie beim Einkauf Geld sparen.

Nicola Horndasch von „Naturalia“ ist auf die neue Konkurrenz nicht gut zu sprechen. Die Genossenschaft sei ein „Jobkiller“, sie habe eine Angestellte wegen Umsatzrückgangs entlassen. Donnerstags hat Naturalia jetzt Sonderangebote eingeführt, auch durch belegte Brötchen und frischen Hirsebrei will man neue Kunden gewinnen.

Werner Hoffmann, Geschäftsführer von Humus, einem der ältesten Bioläden Hannovers, glaubt nicht an die Zukunft der Genossenschaft. Im Grunde sei das ein Laden wie jeder andere auch, nur zahlten die keine Gewerbesteuer. Durch ehrenamtliche Arbeit könne ein Laden auf Dauer nicht existieren. Der Naturkosteinzelhandel sei schon jetzt nicht kostendeckend und die Löhne seien vergleichsweise niedrig. Der neue Laden würde den alten Umsatz wegnehmen, aber, sagt er optimistisch, „wir werden uns was einfallen lassen und die Zeit überstehen“. Konrad Baer

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