Die Quadratur der Kreissäge

Eine Initiative sucht nach dem Öko-Tropenholz. Sie will ein Zertifikat für nachhaltige Holzproduktion vergeben, die nicht existiert  ■ Von Werner Paczian

Berlin (taz) – Gesucht wird „grünes Gold“ aus den Regenwäldern, unter dessen Rinde das gute Öko-Gewissen steckt: MitarbeiterInnen der Berliner „Initiative Tropenwald“ (ITW) haben sich in dieser Woche auf Kriterien für „nachhaltigkeitsorientiert“, heißt umweltverträglich, geschlagenes Tropenholz geeinigt. Damit die VerbraucherInnen auch den richtigen Holzweg einschlagen, sollen die Öko-Stämme mit einem entsprechenden Zertifikat gekennzeichnet werden.

Die Initiative Tropenwald wurde 1992 maßgeblich auf Betreiben des „Vereins Deutscher Holzeinfuhrhäuser“ und der „Gewerkschaft Holz und Kunststoff“ gegründet. Mit am Tisch sitzen unter anderem die Bundesregierung, der „World Wide Fund for Nature“ (WWF), der „Deutsche Forstverein“ und die „Gesellschaft für Tropenökologie“.

Nach dem erzielten Kompromiß sollen beispielsweise die Rechte von Waldvölkern oder besonders artenreiche Gebiete geschützt werden. Auch die Holzernte an Hanglagen oder Uferbereichen ist tabu. Sind sämtliche Kriterien erfüllt, geht die ITW von nachhaltig gewonnenem Holz aus, das getrost bei uns zu Fensterrahmen oder Klodeckeln zerschnitten werden darf.

Doch das Berliner Vorhaben gleicht einer Quadratur der Kreissäge: die kommerzielle Tropenholznutzung in großem Stil bei gleichzeitigem Erhalt der Regenwälder. Ein Vorhaben, das bisher kläglich gescheitert ist. Schon 1988 ging das Londoner „Institut für Umwelt und Entwicklung“ mit der Tropenholzbranche hart ins Gericht. In einer Studie kommen die Briten zu dem Schluß: Weniger als ein Prozent der Fläche tropischer Feuchtwälder werde bewußt für eine nachhaltige Holzproduktion genutzt. Auftraggeber der Untersuchung war die auf wirtschaftliche Nutzung der Regenwälder programmierte „Internationale Tropenholzorganisation“. An den Ergebnissen hat sich bis heute nichts geändert, da nützt auch das gängige ITW-Argument nichts, ein Tropenholz-Boykott würde die Vernichtung der Regenwälder beschleunigen. Länder, die aus ihren Wäldern keine holzwirtschaftlichen Gewinne erzielen könnten, heißt es, würden diese um so rascher in Plantagen oder Ackerland umwandeln.

Bewiesen ist dieser Schluß nicht, weil es nie zu einem wirksamen Tropenholzverzicht der Industrieländer gekommen ist. Belegt ist dagegen, daß der kommerzielle Tropenholzhandel bei der Vernichtung der Urwälder in einigen Regionen sogar die Schlüsselrolle spielt. „Die jahrzehntelange Zerstörungsorgie gerade durch den Holzeinschlag wird von der ITW schlicht ignoriert, wenn sie trotz eindeutiger Zahlen die Edelhölzer mit einem Öko-Label hoffähig macht. Damit wird ein praktisch nicht machbarer Regenwaldschutz vorgegaukelt“, meint Reinhard Behrend vom Verein „Rettet den Regenwald“.

Doch die ITW kämpft noch mit einer Reihe anderer, interner Probleme. Die federführend beteiligten Holzunternehmen haben häufig die Sensibilität einer Motorsäge gezeigt. Bis vor kurzem wurde die ITW von Dr. Hinrich Stoll geführt. Nach massiver Kritik hat der Bremer Holzhändler jetzt sein Amt geräumt – eine Stoll-Firma soll im Kongo mehr Holz eingeschlagen haben als erlaubt. Bereits 1990 hatte ein ausgewiesener Branchenkenner die Bundesregierung vor skrupellosen Geschäftspraktiken deutscher Holzfirmen in Afrika gewarnt. Über Stoll heißt es in dem vertraulichen Papier, seine Firmengruppe Feldemeyer „unterstützte das libanesische Unternehmen SEFCA, das sich besonders in der Waldvernichtung in der Zentralafrikanischen Republik hervortut“. Außerdem, so die Expertise weiter, würden Stolls Einkäufe in Kamerun „überwiegend mit libanesischen Unternehmen abgewickelt, die nach dem Prinzip cut, cash & run vorgehen“ – einschlagen, kassieren und abhauen.

Auch der „Verein Deutscher Holzeinfuhrhäuser“ (VDH), in dem die Tropenholzlobby sitzt, spielte mit gezinkten Karten. Anfang 1992 legte der VDH zusammen mit der Holzgewerkschaft in Bonn eine „Gemeinsame Erklärung zum Schutz tropischer Wälder“ vor. Darin bekennen sich die Verfasser zu ihrer Verantwortung für die Regenwälder. Intern wurde das Bekenntnis ganz anders eingestuft. Es sei ein „politisches Papier“ und daher „in der Formulierung recht vorsichtig“, steht in einem VDH-Protokoll von Oktober 1991. Und weiter: „Auch müsse gesehen werden, daß viel heiße Luft in dem Papier steckt.“ Aber die Erklärung „beruhigt die Gemüter“.

Daß ausgerechnet die neuste ITW-Initiative ernster gemeint sei, darf bezweifelt werden. Der VDH weiß es besser. Als 1989 das Bundesbauministerium nur noch nachweislich nachhaltig produziertes Tropenholz für Bundesbauten zulassen wollte, ging in Bonn ein Fernschreiben des VDH ein, in dem es heißt: „80 Prozent der deutschen Tropenholzeinfuhren bestehen aus bearbeiteten Sortimenten. Beim Bezug kaufen die Importeure die fertigen Produkte, woher der Hersteller sein Rundholz [ganze Stämme, d. Red.] bezieht, ist nicht bekannt. Der Importeur wäre darauf angewiesen, daß ihm der Lieferant eine Bestätigung aushändigt, aus der sich ergibt, daß das Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Es liegt auf der Hand, daß der Wert einer derartigen Bestätigung mehr als begrenzt ist. Eine fachlich versierte staatliche Administration, die für die Erteilung von Zertifikaten zuständig sein könnte, existiert in den tropischen Ländern nicht. Mit den erwähnten praktisch wertlosen Bestätigungen könnten die Importeure in gravierende Schwierigkeiten geraten, wenn von ihnen ein ernsthafter Beweis für die Herkunft des Holzes verlangt wird.“