Benno Möhlmanns Roßkur

■ Trotz Sonderbehandlung spielt der HSV nur 1:1 gegen Dynamo Dresden

Der vom Schnee befreite Rasen wirkte wie Labskaus aus der Truhe. Entsprechend unappetitlich begann auch das Spiel des HSV gegen die Gäste aus Dresden. Weit fader als Rasen und Spielbeginn fiel jedoch das Hallo von HSV-Vizepräses Hans Schümann im aktuellen Stadionmagazin aus. „Es ist schon ein erfreuliches Fuballgefühl, mit dem wir derzeit alle leben dürfen“, begrüßt er die Fans. Seine Miene gemahnt dabei an aufgeschäumte Milch: Portraitfotos können sehr gnadenlos sein.

Wir dürfen also! Fragt sich, wer es uns erlaubt hat? Herr Schümann–s Über-Ich? Gott? Oder der Hexer? Hatte Fußball früher nicht was mit Erregung und Eigenverantwortlichkeit zu tun? Unten, auf dem Labskaus, schienen sie sich jedenfalls langsam daran zu erinnern. Harald Spörls Außenrist-Schuß in der 20. Minute wurde allein vom glänzenden Dynamo-Keeper Stanislav Tschertschessow an der Verpuppung zum 1:0 gehindert. Apropos Spörl: Er trat an diesem Spieltag wie der fleischgewordene Beweis an, daß Barren - wenn schon nicht im Pferdesport verwandt - eher im Fußball denn im Eiskunstlauf zu den gewünschten Resultaten führt. Bravo, Benno Möhlmann! Die Fans, 500 von ihnen bewiesen beim morgendlichen Schneeschippen im Stadion ihre Treue, blieben vor allem durch die Aktionen von Jörn Albertz bei der Stange. Der Rotschopf versuchte in der 25. und 43. Minute mit einem 25- und 16-Meter-Knaller die Glanztat vom letzten Wochenende zu wiederholen. Aber der HSV spielte diesmal nicht auswärts und so gelang es ihm nicht. Mit spielerischer Rasanz forcierte Dynamo das Tempo der ersten Halbzeit und ging eine Minute nach dem Wiederanpfiff in Führung. Uwe Jähning war's, der die dritte von Miki Stevic geschossene Ecke ins Netz köpfte.

Die folgende halbe Stunde war uninspirierend wie ein benutztes Taschentuch: Zusammenknüllen und ab in den Papierkorb. Gegen die Dresdener Mauer schien kein hanseatisches Kraut gewachsen. Selbst die Wechsel des noch immer von seiner Kopfverletzung geplagten Jürgen Hartmann und des indisponierten Yordan Letchkov gegen Andreas Sassen und den von vielen Fankehlen geforderten Karsten Bäron brachten keine wesentliche Verbesserung. 18.000 HSV-Fans froren still, während der Anhang der Gelb-Schwarzen laut aber monoton vor sich hin jubelte. In der Schlußphase machten die Hamburger noch mal Druck, was die Gäste zu gefährlichen Kontern ermunterte. Es wurde warm. Aufgetaut riß der HSV-Kapitän das Ruder in der letzten Minute herum. Er lenkte den Ball flach durch das vor ihm liegende Gewühl, welches auch Stanislaw Tschertschessow die Sicht versperrte. Unentschieden. Bravo, Thomas von Heesen! War Dynamo Coach Siegfried Held enttäuscht? Der „Schweiger“, dem seine üppigen hellen Brauen jeden Moment norwegischem Schnee gleich auf die Wangen zu rieseln scheinen, antwortete mit zonesker Bescheidenheit: „So vermessen sollte man nicht sein, anzunehmen, daß man zum HSV fährt und dort die Musik macht.“ Benno Möhlmann versuchte höflich zu sein, was ihm schlecht gelang. Verärgert raunzte er den satt-zufriedenen Manager Dagobert Bruchhagen zurecht: „Die Diskussion um den ersten, dritten oder 18. Platz ist mir persönlich völlig egal.“ Schnee drüber. Claudia Thomsen