■ „Gesetz über den Gebrauch der französischen Sprache“
: Parlez français – oder zahlen!

Paris (taz) – Parlez-vous français? – Nein? – Das sollten Sie aber schleunigst ändern. Zumindest wenn Sie eine Reise nach Frankreich planen. Denn da hat die Regierung in der letzten Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Gebrauch des Französischen zur Pflicht macht.

Ab April muß sich das Parlament mit dem „Gesetz über den Gebrauch der französischen Sprache“ befassen. Wenn es angenommen wird – was angesichts der bequemen Mehrheit der konservativen Regierung wahrscheinlich ist –, müssen künftig alle öffentlichen Äußerungen auf französisch fallen – egal ob es sich um Arbeitsangebote in der Presse, um Fernsehwerbung oder um die Sprache bei wissenschaftlichen Konferenzen handelt. Sollte eine andere Sprache verwendet werden, müssen die französischen Lettern zumindest ebensogroß danebenstehen.

Immer häufiger schleichen sich Anglizismen in die Sprache Molières ein – von den „coolen“ Jugendlichen bis hin zu den „brainstormenden“ Geschäftsleuten. Besonders häufig sind sie in den Medien, in der Werbung und bei den amerikanischen Ketten, deren Schnellrestaurants die Avenue des Champs-Elysées bevölkern. Was letztere künftig tun sollen, wenn sie ihre Cheeseburger nicht mehr so nennen dürfen, ist ein Geheimnis der Gesetzgeber.

Minister Jacques Toubon befindet sich mit seinem Sprach-Kreuzzug in einer langen Tradition. Schon 1539 unterzeichnete König François I. ein Dekret, das die Justiz auf das Französische festlegte. Ein Jahrhundert später erhielt die Académie Française den Auftrag, über die Sprache zu wachen, was sie bis heute gehorsam tut. Nach 1789 sorgten die Revolutionäre dafür, daß das gemeine Volk Französisch – und nicht die Regionalsprachen – benutzte. Die Begründung der Sprachkrieger war immer gleich: die Einheit und der Zusammenhalt Frankreichs.

Auch in der Nachkriegszeit blieb die Rettung der „Frankophonie“, die seit dem Ende des französischen Kolonialreiches doppelt bedroht ist. Staatspräsident Georges Pompidou gründete das „Hohe Komitee zur Verteidigung der französischen Sprache“, und sein aktueller Nachfolger, François Mitterrand, weigerte sich 1985, die Befehle, „die wir Maschinen geben, ins Englische zu übersetzen“. Bis heute bleibt Frankreich selbst bei internationaler Politik bei Bezeichnungen, die nur Sprachkundigen verständlich sind: Otan (für Nato), ONU (UNO) und EU (USA). Während über den angloamerikanischen Kulturimperialismus in Paris ein All-Parteien-Konsens herrscht, wurde der eigene Kulturimperialismus erst bei einem linguistischen Konflikt mit dem frankophonen Teil Belgiens deutlich. In Brüssel genehmigte die Regierung jüngst 1.500 weibliche Berufsbezeichnungen, die es im klassischen Französisch nicht gibt – von der Feuerwehrfrau bis zur Kneipenwirtin. Der Chef der Pariser Académie Française reagierte auf die längst überfällige Sprachreform mit bitterbösem Protest. Die Feminisierung sei „irreführend und schockierend“.

Paris hat traditionell einen obersten Sprachpolitiker. Jacques Toubon, der Autor des Gesetzes, heißt ganz offiziell „Minister für Kultur und Frankophonie“. Eine Sprachpolizei gibt es (noch?) nicht. Aber die Strafen für den Gebrauch der falschen Sprachen, versichert Toubon, werden empfindlich sein.

Den Fundamentalisten der Recht-Sprache reicht das alles noch nicht. Sie empören sich schon jetzt darüber, daß auch in Zukunft die Ansagen auf Inlandsflügen ausländisch sein dürfen. Nur über die für TouristInnen vorgesehene Ausnahmeregelung hat sich bislang niemand beklagt. Dorothea Hahn