„Geh nach Taba zu deinen Juden!“

■ Gegner des PLO-Israel-Abkommens sehen sich bestätigt

Amman (taz) – Das Massaker von Hebron hat bei den palästinensischen Organisationen zu zornigen Reaktionen geführt. In palästinensischen Flüchtlingslagern in der jordanischen Hauptstadt Amman und in anderen Städten kam es zu spontanen Demonstrationen. „Wir fordern den sofortigen Abbruch der Verhandlungen mit Israel“, skandierten erregte Demonstranten in Amman, riefen Parolen gegen PLO-Chef Jassir Arafat und forderten „Rache für die Opfer.“

Überall waren schwarze Fahnen als Zeichen der Trauer an den Häusern und Geschäften zu sehen. Fast 10.000 Menschen nahmen an einer Protestaktion der jordanischen Muslim-Brüder in der Husseini-Moschee im Zentrum Ammans teil. „Kheiber, Kheiber! Juden, die Soldaten Mohammeds werden zurückkommen!“ riefen sie. Kheiber war die erste Schlacht der islamischen Geschichte zwischen Muslimen und Juden, die mit einem Sieg der islamischen Kämpfer endete. Die Demonstranten forderten, auch Jordanien müsse sich von den Verhandlungen mit Israel zurückziehen.

Auch an einer dreitägigen Trauerversammlung des Vereins „Khalil Al-Rahman“, ein Zusammenschluß von Exil-Palästinensern aus Hebron, nahmen Tausende von Menschen teil, darunter auch der jordanische König Hussein. Ein Mitglied des PLO-Exekutivkomitees wurde beschimpft und hinausgeworfen. Bei einer Kundgebung palästinensisch-jordanischer Gewerkschaften wurde ein Vertreter der „Palästinensischen Demokratischen Union“ (Fida) an der Teilnahme gehindert. „Geh nach Taba zu deinen Juden“, schrien Demonstranten ihm entgegen. Die Fida unterstützt das Osloer Abkommen zwischen der PLO und Israel.

Ibrahim Ghousche, Sprecher der islamistischen Hamas-Bewegung in Jordanien, erklärte am Samstag in einer Pressekonferenz, PLO-Chef Arafat habe „noch eine letzte Chance, um wieder ein Teil des palästinensischen Volkes zu sein“. Die PLO-Führung müsse umgehend „die Verhandlungen mit dem zionistischen Staat stoppen“, sonst werde „das palästinensische Volk Arafat und seine Gruppe bestrafen“. Ghousche erklärte weiter, die islamistischen „Ez-Eddin Al-Kassem“-Brigaden, der bewaffnete Arm von Hamas, hätten Befehl, Rache zu nehmen. Israel müsse „einen hohen Preis für die Verbrechen zahlen“. In der syrischen Hauptstadt Damaskus ließ das Bündnis der palästinensischen Gegner des Friedensabkommens erklären, das Massaker von Hebron sei eine direkte Folge der Konzessionen, die PLO-Chef Arafat an den israelischen Staat gemacht habe. Dem Bündnis gehören zehn Organisationen an, von der marxistischen „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ bis zur islamistischen Hamas.

Auch unter den Befürwortern des Gaza-Jericho-Abkommens mehren sich die Stimmen, die eine veränderte Verhandlungsstrategie gegenüber Israel fordern. So sollen palästinensische Persönlichkeiten aus den besetzten Gebieten ein Memorandum an PLO-Chef Arafat geschickt haben. Darin werde gefordert, den Status der israelischen Siedler in den besetzten Gebieten umgehend auf die Tagesordnung zu bringen, ebenso wie den Rückzug der israelischen Truppen. Das Osloer Abkommen sieht eine zweijährige Übergangsphase vor, die zu einer Teilautonomie der Palästinenser führen soll. Während dieser Zeit sollen sich die israelischen Truppen lediglich aus dem Gaza-Streifen und aus Jericho zurückziehen.

Die PLO-Führung hat unterdessen ihre Vertreter in Kairo, Paris und Washington zu Beratungen nach Tunesien gerufen. Vom UN- Sicherheitsrat forderte die PLO, das Massaker zu verurteilen und internationale Truppen in die besetzten Gebiete zu entsenden.

Zwar akzeptierte die PLO-Führung die Einladung von US-Präsident Bill Clinton, zu Gesprächen mit Ministerpräsident Rabin nach Washington zu reisen. Dennoch herrschte in PLO-Kreisen Enttäuschung über die US-Regierung. Die USA würden versuchen, hieß es, eine UN-Resolution zu verhindern, die Israel und die Siedler verurteilt und internationalen Schutz für die Palästinenser garantiert.

Die PLO weiß, daß das Massaker die Verhandlungsgegner in den palästinensischen Reihen gestärkt hat. Ein PLO-Mitarbeiter in Amman befürchtete, Arafat könnte jede Glaubwürdigkeit verlieren, wenn jetzt nicht sofortige Maßnahmen ergriffen würden, wie die Entwaffnung der Siedler, die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen und der Rückzug der israelischen Truppen. Wenn nichts geschehe, „dann wird nicht nur der Friedensprozeß am Ende sein, sondern auch Arafat und die PLO. Die Alternative wären Hamas und andere Radikale.“ Khalil Abied