„Vergiß mental!“

Matchball im InterConti. Ein Tag mit Howie, Herrn Krähe und  ■ Martin Sonneborn

Herr und Frau Ott pfeifen sich, bevor sie essen gehen, am Imbiß – in Abendgarderobe – die „Schlemmerplatte Rot-Weiß“ rein (4,20 DM), um hinterher die Restaurantatmosphäre für den Preis einer Vorspeise zu haben. Im „Büro für Kicker und Dosenbier“ entdecken plötzlich immer mehr Besucher ihre Vorliebe für Bier der Marke Adelskrone (0,65 DM). Die Dame Didra näht sich ihre Kleider selbst, auch wenn das an der Wursttheke von Reichelt mitunter zu Menschenaufläufen führt, und der eigene Kühlschrank enthält, wenn man abends nach Hause kommt, statt Bier und Pizza lediglich noch Quark und Senf, wahrhaft menschenverachtendes Zeug also. Mit anderen Worten: Die Rezession hält auch in unseren Kreisen munter Einzug!

Wenn dann noch die Berliner Zeitung ihren freien Mitarbeitern die Honorare kürzt, der dröge Tagesspiegel sich von zahlreichen Autoren trennt und die Lage der freien Journalisten in Berlin, laut IG Medien, allgemein schlechter wird, wer will es Herrn Krähe und mir verdenken, daß wir eine RTL- Pressekonferenz besuchen, der wir in wirtschaftlich besseren Zeiten nicht einmal profundes Desinteresse entgegenbringen würden?

So laufen wir also mit gesundem Appetit zur Preview der Serie „Matchball“ im Hotel InterConti Berlin ein. RTL setzt uns Kaffee vor und Howard Carpendale. „Howie“ (Carpendale über Carpendale) nämlich „ist“ der abgehalfterte Tennisstar Johnny Storm, der „es noch mal wissen will, vor dem Hintergrund des internationalen Tenniszirkus“.

Während dann eine Folge von „Matchball“ gezeigt wird, fachsimpeln Herr Krähe und ich hungrig über die Informationen aus der Pressemappe: Ob „auch schöne und tüchtige Frauen eine wichtige Rolle in Johnnys Leben spielen“; ob „alte Haudegen“ auftauchen wie der „unverwüstliche Bronski“, das „alte Schlachtroß“; ob auch „das ebenso schwierige wie rührend bemühte Verhältnis zwischen Vater und Sohn“ in Szene gesetzt wird? Und siehe da, alles genau wie versprochen! Wobei uns etwas anderes auch schwer verwundert hätte, schließlich sollen ja „die Drehbücher in ihrer Ausgereiftheit weit über dem stehen, was normalerweise über deutsche Bildschirme flimmert“, und selbst Regisseur Ralf Gregan würde seine Serie „unbedingt ansehen“.

Nach der Vorführung kommt es zu den üblichen unwürdigen Äußerungen und Erkundigungen der Pressemeute: „Was könnte rüberkommen außer guter Unterhaltung?“ „Bleibt Ihr Bart dran?“ Und: „Howard, Frau Scheurer, seid Ihr euch während der Dreharbeiten nähergekommen?“ Wir warten nur noch auf die Fragen: „Howie, was liest du denn so?“ oder: „Was glauben Sie, Howard, war CDU-Generalsekretär Peter Hintze schon in der christlichen Handarbeitsgruppe seiner Heimatgemeinde a) immer der ausgleichende und versöhnende Charakter? oder b) ein fieser Schläger, der seinen Spaß daran hatte, kleine Mädchen aufzublasen und unschuldigen Fröschen nachzustellen?“ Bevor aber dies geschehen kann – eine für ihre postblöden Fragen bekannte Radio-100,6-Redakteurin holt bereits tief Luft – ist der Spuk zu Ende, und wir werden zum Essen gebeten.

Wenn Sie Tennis interessiert wie uns das Bufett, schauen Sie sich „Matchball“ ruhig an. Howard verrät hier nämlich Geheimnisse: „Vergiß mental! Jeder redet von mental! Was glaubst du, warum alle Topspieler die wichtigen Punkte gewinnen? Weil sie vorher wissen, das ist mein Punkt, mein Punkt. Und das mußt du hier drin spüren!“