ÖTV-Chefin bietet 32-Stunden-Woche an

■ Wulf-Mathies versüßt die Verhandlungspause mit neuem Arbeitszeitmodell / Öffentliche Arbeitgeber zeigen sich angenehm überrascht / Recht auf Teilzeitarbeit soll im Tarifvertrag festgelegt werden

Berlin (taz/dpa) – Mit einem Angebot zur Arbeitszeitverkürzung hat die ÖTV den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst wieder in Schwung gebracht. 32 Wochenstunden bei nur teilweisem Lohnausgleich seien denkbar, sagte ÖTV-Chefin Wulf-Mathies. Mit diesem Vorschlag überraschte sie auch die Arbeitgeber, die auf den Vorstoß positiv reagierten. Sie hatten flexible Arbeitszeiten zwischen 30 und 40 Stunden gefordert.

Überraschend an der Wulf- Mathies-Offerte sind die verhältnismäßig moderaten Konditionen: Mit dem Angebot, 32 Stunden durch eine Öffnungsklausel möglich zu machen, nähert sich die Gewerkschaft stark der 30-Stunden- Forderung der Arbeitgeber an. Außerdem verzichtet die ÖTV auf den vollen Lohnausgleich und ist statt dessen bereit, sich mit 50 Prozent zu begnügen.

Allerdings verknüpft die ÖTV mit ihrem Angebot auch Bedingungen: Kommunen, Bund und Länder sollen Beschäftigungsgarantien geben. Die Arbeitszeiten sollen nicht zentral, sondern von Fall zu Fall und – für den öffentlichen Dienst unüblich – in örtlichen oder regionalen Verträgen geregelt werden. Im bundesweiten Vertragswerk würden lediglich eine Öffnungsklausel für die Arbeitszeiten sowie der Lohnausgleich festgelegt. Die Vereinbarung soll zeitlich begrenzt werden, etwa auf fünf Jahre.

Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft DAG fordert außerdem, daß Beschäftigte zu einer kurzen Arbeitszeit nicht gezwungen werden dürfen. Auch sollen 32 Stunden die Ausnahme bleiben und nur eingeführt werden, wenn dadurch nachweislich Arbeitsplätze erhalten werden. Ein teilweiser Lohnausgleich ist auch für die DAG Bedingung, da öffentlich Bedienstete mit mittleren und unteren Gehältern sonst schnell zu Sozialfällen würden, sagte DAG- Sprecher Ingo Schwope. Die Arbeitszeitofferte sei auf keinen Fall mit der von den Arbeitgebern geforderten Flexibilisierung zu verwechseln, betonte er. Bei letzterer würden die Arbeitszeiten von Woche zu Woche schwanken.

Die Arbeitgebervertreter aus Bund, Ländern und Kommunen reagierten durchweg positiv auf den Wulf-Mathies-Vorschlag. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) nannte das Angebot, einen „Schritt in die richtige Richtung“. Schleußer signalisierte darüber hinaus die Bereitschaft, mehr Teilzeitarbeitsplätze anzubieten. ÖTV und DAG wollen das Recht auf Teilzeit im Tarifvertrag festlegen. Die von den Gewerkschaften geforderte Option, jederzeit zur Vollzeit zurückkehren zu können, lehnte Schleußer jedoch ab. Silvia Schütt