„Altkader zementiert“

■ Falsche Schlagzeilen wegen Nichtkündigungen bei Humboldts

Ein Entrüstungssturm brach gestern erneut wegen der Kündigung von 178 wissenschaftlichen Mitarbeitern los, die von der Humboldt- Universität nicht vollzogen worden war (taz vom 1.3.94). Die Bild schrieb von „Dr. Raffke & Prof. Ratlos“, die an der HUB „unser Geld rausschmeißen“. Die FAZ sah die Präsidentin, die „ehemalige Westberliner AL-Politikerin Dürkop“, im Kreuzfeuer der Kritik. Erhardt habe eine „Nottruppe“ von vier Beamten unter die Linden abgeordnet, um die Kündigungen durchzusetzen.

Die Beißreflexe auf die DDR- Bildungsstätte „sozialistischer Intelligenz“ erzeugten aber reichlich Falschmeldungen und Verdrehungen. Es geht nicht um die „bewußte Sabotage des Erneuerungsprozesses“, wie Abgeordneter Eberhard Engler (CDU) glauben machen möchte. Hintergrund seien lediglich „unterschiedliche Kündigungsfristen“, korrigierte ihn seine grüne Parlamentskollegin Sybille Volkholz. Und diese Unterschiede sind klein.

Die Leitung der Humboldt- Universität hat eingestanden, eine Reihe von „Bedarfskündigungen“ wegen Überlastung versäumt zu haben. Das bedeutet, daß 176 MitarbeiterInnen des wissenschaftlichen Mittelbaus nun drei Monate länger an der Alma mater bleiben. Die sogenannten „Bedarfskündigungen“ hätten nämlich zum 31.12. ausgesprochen werden müssen; dann hätten sie das Arbeitsgesetzbuch der DDR zugrunde liegen – und eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Jetzt können die MittelbauerInnen nur noch nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifs Ost entlassen werden. Der sieht eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vor. Bei Engler wurde daraus ein „Festzementieren“ der „Altkader“.

Anders als Bild behauptet, hat der Wissenschaftssenator bislang nur einen seiner Verwaltungsbeamten an die HUB entsandt. „Der schreibt hier Kündigungen und sortiert Akten“, teilte gestern HUB-Sprecherin Susann Morgner mit. Die HUB habe mehrfach auf die Schwierigkeiten bei den Kündigungen hingewiesen. cif