Schulen zwischen Skepsis und Zuspruch

■ Je mehr SchülerInnen, desto gelassener reagieren die Oberstufen auf die freie Schulanwahl

Am 14. März sind die Würfel gefallen. Bis dahin müssen sich alle Bremer Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen entschieden haben, auf welcher Schule sie die Klassen 11 bis 13 durchlaufen wollen. Dabei haben sie eine Auswahl von 18 Oberstufen, die quer über das Stadtgebiet verteilt sind.

Das ist nagelneu in Bremen und die Konsequenz aus dem Beschluß der Stadtbürgerschaft, die Schulgrenzen langsam aber sicher zu durchlöchern, die bislang über strikte Zuweisung nach Wohngebiet definiert waren. Nach einer hitzigen Parlamentsdebatte geht die Diskussion jetzt bei den PraktikerInnen weiter.

August Hildebrand ist Schulleiter im Schulzentrum Lange Reihe; er ist ziemlich skeptisch: „Wir sind in Sorge, daß die Anmeldungen zurückgehen könnten.“ Das hätte für seine Schule fatale Konsequenzen, denn die Lange Reihe liegt mit derzeit rund 70 SchülerInnen im 11. Jahrgang an der unteren Grenze der Schülerzahl, mit der ein Kurssystem überhaupt noch durchführbar ist. Die konkrete Angst des Schulleiters: Vor allem die SchülerInnen aus Findorff könnten sich an den Schulen in der Innenstadt anmelden, ohne längere Schulwege in Kauf nehmen zu müssen und damit eines der beiden Schulzentren für die Sekundarstufe II überflüssig machen.

Emil Schmidt vom Schulzentrum Delmestraße hat ähnliche Befürchtungen. „Wir haben hier in der Neustadt drei Schulzentren für die Sekundarstufe II, und es ist nicht auszuschließen, daß wir bei einer freien Anwahl bald unter Schülermangel leiden werden.“ Im Prinzip jedoch sei die Entscheidung und auch das Verfahren sinnvoll gewesen: Die gleiche Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt, wie der Elternbeirat unter Berufung auf seine Beteiligung gefordert hatte, hätte in den Schulen zum nächsten Jahr nicht mehr umgesetzt werden können. Auch die Delmestraße liegt derzeit mit 75 Schülerinnen und Schülern an der Untergrenze der für ein Kurssystem notwendigen Schülerinnen.

Ein Kollege aus dem Bremer Süden sieht ein anderes Problem. Laut Bürgerschaftsbeschluß sollen die Schulzentren eine Obergrenze von 120 Schülerinnen und Schülern bekommen, damit das Ausbluten bestimmter Schulstandorte verhindert wird. Ist das Limit erreicht, entscheidet das Los, wer abgelehnt wird. „Was nun, wenn die abgelehnten Schüler vor dem Verwaltungsgericht klagen?“ Wird nämlich die freie Anwahl propagiert, dann hätten die SchülerInnen auch einen Rechtsanspruch darauf.

Gelassen sieht man in den Schulzentren und Gymnasien in der Stadtmitte in die Zukunft. Wilfried Stille, Schulleiter der Hamburger Straße: „Der ganze Zuweisungsbetrieb fällt in Zukunft weg, das erleichtert uns viel Verwaltungsarbeit.“ Stille erwartet keine großen Wanderbewegungen, räumt aber ein, daß es „rein rechnerisch auch die Möglichkeit gibt, daß Standorte überflüssig werden“. Dort müsse man überlegen, ob die Aufrechterhaltung des Kurssystems sinnvoll sei. Auch Stille sieht in dem Verfahren keine Probleme: „Was in der Bürgerschaft beschlossen worden ist, war Teil der Koalitionsvereinbarungen. Mit den Stellungnahmen zum Schulgesetz hat das nichts zu tun.“

Klaus Wachtendorf, Oberstudiendirektor beim Herman-Böse-Gymnasium, ist ebenfalls rundherum zufrieden: „Wir waren immer dafür, daß die Abnehmer unserer Dienstleistung frei wählen können. Niemand sollte wollen sollen.“

Gelassen ist auch Karl Reinicke, Schulleiter in der Kurt-Schumacher-Allee und damit ein Vertreter einer Schule am Stadtrand. Das Aussterben einzelner Schulen dürfe bei solchen prinzipiellen Entscheidungen kein Maßstab sein. Auch Reinickes Schule liegt mit rund 70 SchülerInnen im 11. Jahrgang an der unteren Grenze dessen, was nötig ist. „Diese Schülerzahl ist aber bereits die Folge davon, daß wir in der Vergangenheit Anträge auf die Zuweisung an eine andere Schule immer sehr liberal gehandhabt haben.“ 30 bis 40 Schülerinnen und Schüler, so schätzt Reinicke, seien in der Vergangenheit pro Jahrgang an andere SII-Zentren verwiesen worden. mad