■ Flüchtling wird ausgeliefert
: Politische Justiz

Das deutsche Rechtswesen ist darauf gegründet, daß Beweise und Fakten zur Verurteilung eines Verdächtigen führen. Im Fall des politischen Flüchtlings Mahmut Özpolat reicht den Justizbehörden allerdings eine vierzehn Jahre alte Anklageschrift der türkischen Ermittlungsbehörde mit zweifelhaften Tatvorwürfen aus, um über das Schicksal eines Menschen zu entscheiden. In diesem Fall scheint die Einhaltung des deutsch-türkischen Auslieferungsabkommens wichtiger als Özpolats Leben.

Obwohl der Mann einen UN-Flüchtlingspaß besitzt und obwohl Menschenrechtsorganisationen immer wieder auf Folterungen und Hinrichtungen in der „demokratischen“ Türkei hinweisen, vertraut das Kammergericht auf die Behauptung der türkischen Regierung, in ihrem Lande fänden keine Menschenrechtsverletzungen statt. Anderslautende Erkenntnisse von amnesty international oder medico international sind für das Kammergericht offenbar nicht vertrauenswürdig, dafür aber die Versprechungen eines Staates, der gegen einen Teil seiner BürgerInnen Krieg führt.

Die Richter hätten die Möglichkeit gehabt, dem Auslieferungsbegehren nicht nachzukommen. Es wäre auch möglich, den kranken Mann von der Haft zu verschonen. Doch die Justiz hat sich davor gedrückt und sich in eine zweifelhafte Rechtsauslegung geflüchtet – die Özpolat das Leben kosten kann. Olaf Bünger

Siehe Bericht Seite 22