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Hip-Portiönchen aus der Kinderkrippe

Stell dir vor, es ist Osten, und alle packen ihre FDJ-Hemden wieder aus: die „Liedertafel Margot Honecker“ – Fake-Ostler aus Hamburg mit juvenil-gymnasiastisch-hipsüchtigem Stumpfsinn im Jugendzentrum „Friseur“  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Es ging schon beim Einlaß los: Man sollte auch als Berichterstatter 12Mark zahlen. Dann wurden es fünf, weil ich eine der Kassenfrauen aus der Uni kannte, und ich solle doch froh sein, und wenn ich nicht zahlen wolle, könne ich ja gleich abhauen (hier müßte der Artikel im Prinzip schon zu Ende sein).

Pisser, möchte man da sagen, aber man bleibt ja dann doch – auch wenn einem von Anfang an juvenil-gymnasiastisch-hipsüchtiger Stumpfsinn entgegenschlägt. Der Laden proppevoll und geschmückt mit diversen DDR- und Junge-Pioniere-Fahnen. „Seid bereit“. Im Hintergrund filmt eine angeberische Kamera die GymnasiastInnen (kommen aus Hamburg), die mit Gel im Haar lange Fake-Reden halten, in denen sie die Vorzüge der „Kommunistischen Einheitspartei Deutschlands“ (KED) preisen.

Die Reden sind ein Konglomerat aus den debilsten sozialistischen Agitprop-Bildern und Metaphern anachronistischer Parteitagsreden, deren Redundanz noch ein wenig verstärkt wurde. Das finden alle sehr komisch und „lachen“ gut „ab“ und johlen sich zu, während ich eher Lust habe „abzukotzen“. Besonders lustig das Gelalle der Genossin „Schirinowskaja“, die als Abgesandte der „Liberalbolschewistischen“ (harhar) „Partei Rußlands“ eine Grußadresse verliest, weil die Rednerin einen russischen Akzent fürs Zombiejungvolk imitiert.

Der marktgerechte und vielleicht auch zeittypische „Witz“ der Liedertafel ist recht einfach und entspricht letztendlich dem der von diversen Zigarettenfirmen gesponsorten DDR-Parties. Überlegen lacht man über Geschichten ab, die nicht die eigenen sind. Extrem witzig ist es, sich über einen Gegner, den es als Gegner nicht mehr gibt, lustig zu machen.

Dies feiste Lachen am Pol der Macht stimmten westdeutsche GymnasiastInnen gern an, wenn sie zum ersten Mal einen Trabi sahen auf der obligatorischen Fahrt nach Ost-Berlin. So lacht man stets überlegen übers Politikergelalle jedweder Couleur, über die „Quasselbude“ Parlament, über Künstler und debile Intellektuelle; und wenn es nicht tabuisiert wäre, würden die genauso über Judenwitze lachen. Die Mischung aus einem Nihilismus, dem längst die existentielle Geste abhanden gekommen ist (die ihn auch mal sympathisch erschienen ließ), und einem selbstgewissem Haß auf alles, was sich nicht amüsiert, erinnert an einen Herrenabend: „Wer nicht lustig ist, der ist ein dummes Schwein“. Am Ende singt die „Liedertafel“ dann glockenhell und mit „Klampfenbegleitung“ noch ein paar Lieder der „Jungen Pioniere“. Ich bin dann doch gegangen. Wahrscheinlich waren die „Moorsoldaten“ auch dabei – voll komisch.

Selten war mir eine Veranstaltung so durchgehend widerwärtig, ein Publikum derartig unsympathisch wie heute schon gestern und morgen, wenn der Text erscheint (also heute), schon vorgestern der Auftritt der „Liedertafel Margot Honecker“ im inzwischen botschaftlosen Jugendzentrum „Friseur“ in der Kronenstraße.

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