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Dritter Mann chancenlos

■ Intendantenwechsel beim ORF: Es wird ein Sozialdemokrat, Favorit: Gerhard Zeiler

Wien (taz) – Während das deutsche Bundesverfassungsgericht den Parteieneinfluß bei den Öffentlich-Rechtlichen gerügt hat, feiert gerade dieser in Österreich fröhliche Urständ. Heute steht die Wahl des Generalintendanten des Österreichischen Rundfunks (ORF) an. Zwei ehemalige Sekretäre der sozialdemokratischen Bundeskanzler Bruno Kreisky und Fred Sinowatz haben sich um die höchste Position im Rundfunkmonopolamt beworben: Gerhard Zeiler, der 38jährige Geschäftsführer von RTL 2, möchte in Wien ein Comeback feiern. Sein Konkurrent ist der derzeitige ORF-Informationsintendant Johannes Kunz (47).

Die Erkenntnis, daß so oder so ein SPÖ-Mitglied nach dem langjährigen Generalintendanten Bacher aus dem bürgerlichen Lager nachfolgen wird, hat die Österreichische Volkspartei (ÖVP) tief getroffen. Doch in ihren eigenen Reihen war partout kein adäquater Konkurrent aufzutreiben. Daniel Schmid, der sich selbst als ÖVP- Kandidat vorstellte, werden nicht einmal in konservativen Kreisen Außenseiterchancen zugebilligt. Der 38jährige, der in Frankfurt am Main eine Medienagentur betreibt, war bis zu seiner Kandidatur in Österreich völlig unbekannt und wird es wohl weiter bleiben.

Deshalb versucht die ÖVP auf der zweithöchsten Ebene an Posten zu retten, was noch zu retten ist. Schließlich sind die beiden Intendantensessel im ORF-Zentrum vakant: Programm- und Informationsintendanz möchten die ÖVP- Funktionäre mit ihnen genehmen ORF-Führungskräften besetzen. Der Intendant des Landesstudios Wien, Gerhard Weis, und der jetzige Hörfunkchef Rudolf Nagiller gelten als aussichtsreichste Kandidaten für diese Beförderungen.

Wenn dann auch noch die Intendanzen der Landesstudios mehrheitlich mit ÖVP-Männern besetzt werden, dann könnten sich die konservativen ORF-Kuratoren eine Wahl Zeilers vorstellen, lautete der Lockruf. Da Zeiler dieses Zugeständnis nicht sofort zusicherte, scheint sich nun die Mehrheit der ÖVP-Kuratoren für Kunz entschieden zu haben. Der Noch- Intendant soll eilfertig auf den Postenschacher eingegangen sein. Denn ohne die ÖVP-Stimmen im Kuratorium ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zu erreichen. 36 Kuratoren, die praktisch ausschließlich Parteienvertreter oder ORF-Betriebsräte sind, wählen in geheimer Wahl den neuen Generalintendanten. Die 13 SPÖ- Kuratoren haben sich bei der Qual der Wahl zwischen zwei Parteifreunden bereits mehrheitlich für Zeiler ausgesprochen. Für die erforderliche Mehrheit sind aber 24 Stimmen nötig.

Scheitert der favorisierte Zeiler in zwei Wahlgängen an dem Quorum, genügt im dritten Versuch eine einfache Mehrheit. In diesem Fall wäre der neue ORF-Chef aber bis zum Abgang seines Vorgängers im Oktober für drei Monate nur provisorisch bestellt. Dann müßte die Wahl neuerlich ausgeschrieben werden.

Noch-Intendant Gerd Bacher ist aus diesem Wahlpoker seit 1967 insgesamt fünfmal siegreich hervorgegangen. In den Ruhestand will sich der Salzburger, Jahrgang 1925, aber nicht begeben. Der ehemalige Berater Helmut Kohls soll für seinen Freund, den Medienzar Leo Kirch, in den Springer-Aufsichtsrat einziehen. Alexandra Föderl-Schmid

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