■ Ohne Quotierung keine Demokratie
: Her mit der Debatte!

Beim Thema Quotierung dominiert ein gewisser resignativer Unmut: Weil die Debatte schon seit Ewigkeiten geführt wird, weil sie trotzdem kaum Einfluß hatte und weil sich die Situation der Frauen im letzten Jahrzehnt auch nicht so wahnsinnig geändert hat. Aber das stimmt alles nur zum Teil.

Zwar ist richtig, daß viele (Frauen) über Quotierung, ihren Sinn, ihren Zweck, ihre Notwendigkeit seit den achtziger Jahren schon ausreichend viel diskutiert, geschrieben, gestritten haben. Es ist auch richtig, daß viele (Frauen) den Eindruck haben, das Thema sei schal geworden. Mehr Daten, Fakten, politische, juristische, moralische Begründungen für Quotenregelungen könne und wolle man nicht mehr liefern als die, die seit Jahren auf dem Tisch liegen. Aber richtig ist auch, daß sich diese Debatten zum großen Teil auf die Frauen-Öffentlichkeit beschränkt haben.

Deshalb herrscht ein merkwürdiger Antagonismus zwischen Eindruck und Realität. Denn tatsächlich ist die Quote in einer breiten Öffentlichkeit bei uns nie diskutiert worden. Einflußreiche Debatten zwischen JuristInnen, RechtsphilosophInnen, PolitikerInnen, etwa in der Zeit, im Spiegel, im Fernsehen oder in den politischen Gremien hat es kaum gegeben. Eigentlich steht bei uns eine große politische Debatte um Sinn und Notwendigkeit von Quoten noch aus.

Und dennoch ist es falsch zu sagen, die frauenpolitische Debatte sei bisher gänzlich ohne Einfluß geblieben. Seit den ersten grünen Entwürfen Mitte der achtziger Jahre haben sich immerhin in einigen Bundesländern Antidiskriminierungsgesetze (wie zahm auch immer) durchgesetzt. Und bestimmte Selbstverständlichkeiten hinsichtlich der Ansprüche von Frauen auf Erwerbsarbeit – so wenig sie derzeit eingelöst werden – sind unhintergehbar. Deshalb klingt selbst Heiner Geißler mittlerweile leicht melancholisch, wenn er auf dem CDU-Parteitag die Kleinfamilie beschwört – auch ihm ist klargeworden, daß sich traditionelle Familienstrukturen ohnehin so nicht wieder herstellen lassen.

Aber die Quote ist trotzdem notwendig: Denn die schlichte „Frauenförderung“ will sagen: das Warten darauf, daß sich von selbst alles ändert, reicht nicht; um das zu zeigen, genügen Hinweise auf die allseits bekannte Tatsache der notorischen Unterrepräsentierung von Frauen in praktisch allen Bereichen gesellschaftlicher Öffentlichkeit. Der männliche Unwille, Macht, Geld, Einfluß und klassische Arbeitsstrukturen aufzugeben, sitzt zu tief, zumal in Zeiten der Rezession. Deshalb her mit der Debatte! – um den angeblichen „Qualitätsverlust“, der mit der Quote kommen würde (weil dann ja nicht mehr die Klügsten und Besten, wie jetzt, die Stellen bekämen); um die angebliche Verletzung juristischer oder moralischer Rechte (von Männern) – welche Rechte werden verletzt? Was ist denn ein „Recht auf gleiche Behandlung“? Die Argumente der Quotengegner sollten endlich auf den öffentlichen Tisch!

Als die Quote in den achtziger Jahren diskutiert wurde, ging es vor allem um die Erwerbsarbeit: also um die Idee ökonomischer Gleichstellung und ökonomischer Unabhängigkeit von Frauen. Das gilt immer noch, und es gilt wieder ganz massiv. Doch bei der Quotierung geht es noch um mehr. Denn die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist illiberal, undemokratisch und ungerecht. Eine liberale Demokratie lebt davon, daß sie für alle ihre Mitglieder im Prinzip die gleichen Rechte, die gleichen Freiheiten und die gleichen Chancen bereitstellt: also auch davon, daß alle Mitglieder in gleichberechtigter Weise an der Möglichkeit gesellschaftlicher und politischer Prozesse der Meinungsbildung und der Entscheidung teilnehmen können. Demokratische Partizipationsrechte bedeuten auch, daß Bedürfnisse und Interessen von allen, Männern und Frauen, artikuliert werden können und daß an den Verhandlungen und Interpretationen dieser Interessen und Bedürfnisse alle, Männer und Frauen, in gleichberechtigter Weise beteiligt sein können. Auch in diesen Kontext gehört die Quote. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Quotierung steht noch aus. Das ist eine Chance, die Debatte endlich zu führen. Beate Rössler

Philosophin an der FU Berlin; Autorin von „Quote und Gerechtigkeit“