Die Prostitutionsehe von Ömer Y.

■ Ein Tabuthema: Ausländer heiraten deutsche Frauen, nur um die unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu ergattern

Berlin (taz) – Ömer Y., ein schmucker Mann von 26 Jahren, hat sich Anneliese S. regelrecht ausgeguckt. Die 40jährige Deutsche war bei der Vergabe von Schönheit schlicht vergessen worden. Der Türke hatte sofort die Aura der Einsamkeit gewittert, mit der die Frau umgeben war – bitterlich enttäuscht von ihrem Leben und seiner Nichtübereinstimmung mit den am Kiosk erhältlichen Liebesromanen. Seines leichten Sieges recht gewiß, gab sich der junge Mann nicht einmal große Mühe beim Liebeswerben. Nach kurzer Zeit schon gab ihm die Berlinerin ihr Jawort, das Aufgebot wurde bestellt. Was sie nicht wußte und nicht wahrhaben wollte: Ömer Y. hatte es einzig auf den sicheren Aufenthaltsstatus abgesehen, auf den er nach drei Jahren Eheleben mit einer Deutschen Anrecht hatte.

Und so kam es, daß die Frau nach exakt drei Jahren und drei Tagen aus allen rosa Wolken fiel. Was sie mangels Erfahrung für ein normales Eheleben hielt, war abrupt vorbei und ihr Ehemann über Nacht verschwunden. „Ohne ein Wort der Erklärung“, weinte sie Monate später vor ihrer Anwältin. „Ein ganzes Jahr ist er vom Erdboden verschluckt und zahlt nicht mal mehr Unterhalt, und dann kommt als erstes und einziges Lebenszeichen der Scheidungsantrag! Ich verstehe das alles nicht, er hat mich doch geliebt! Das hat er zumindest immer behauptet.“ Die Anwältin mußte der aufgelösten Frau mit vielen Mühen erklären, daß ihr treuliebender Gatte auf diese Weise an eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gelangt war. Ein Jahr hatte er noch gewartet, um dann nach offiziell einjähriger Trennung von seiner Gattin die Scheidung einreichen zu können und seine „Prostitutionsehe“ – so der treffende Begriff der Anwältin – zu beenden. Nach vollbrachter Arbeit wollte er seine türkische Frau, die er nur vor dem Imam und noch nicht standesamtlich geheiratet hatte, samt den gemeinsamen Kindern nach Deutschland nachkommen lassen.

Ein Einzelfall? Keineswegs. Nach der Erfahrung der Rechtsanwältin ist das unter ausländischen Männern, die nicht aus der EG kommen und unter die rigiden Bestimmungen des deutschen Ausländergesetzes geraten, eine „weitverbreitete Praxis“. „Nur redet kein Mensch darüber und schon gar keine linke antirassistische Initiative. Ausländer haben Opfer zu sein. Und wenn sie doch mal Täter sind, oder besser gesagt Opfer und Täter in einer Person, dann wird weggeguckt. Das liegt wahrscheinlich auch daran, daß der politisch korrekte Antirassismus als Pflicht gilt, der Antisexismus aber nur als Kür.“

Anneliese S. ist auch heute noch wie am Boden zerstört. Zugegeben: Sie hätte es besser wissen können, wenn sie nicht von solch unendlicher Naivität beseelt gewesen wäre. Denn vor ihrer Ehe mit Ömer Y. hatte sie schon einmal einen Türken geheiratet. Der hatte sie ebenfalls sitzen lassen – nach drei Jahren und einem Monat. Ute Scheub