Nachrichten mit Frauen angereichert

■ Aus der Computerschublade einer „Chefin vom Dienst“ der Tageszeitung

Berlin (taz) – „Frau prügelte Mann krankenhausreif.“ Das ist eine Nachricht. „Mann prügelte Frau krankenhausreif“ – wen interessiert das schon? Doch ersteres ist nur eine Kuriosität und letzeres der alltägliche Skandal. Was eine Nachricht ist, wird unter anderem durch die Ausgefallenheit eines Ereignisses bestimmt. Und schon ohne daß sich die Chefredakteure aller Medien antifeministisch verschworen und verbandelt hätten, verformt sich diese harmlos daherkommende Ausgefallenheit zu einem Filter, der die zu berichtende Wirklichkeit patriarchal strukturiert.

In unserer Nachricht kommt frau wenigstens vor – im Unterschied zum Gros der Meldungen. Da sitzt die „Chefin vom Dienst“, verantwortlich dafür, die „harten News“ in der Zeitung zu plazieren. Gefüttert wird ihr Hirn von Nachrichtenagenturen, die ihr die Welt per Papierschlange präsentieren. Angeblich einen objektiven Ausschnitt der Welt, an den sie anfangs noch glaubt. Doch immer öfter stolpert sie über das seltsame Phänomen, daß Frauen millionenfach verschwinden.

Zum einen in den Begriffen: Funktionstragende – wie Politiker, Minister, Ärzte – erscheinen per se als Männer. Ein Student unter hundert Studentinnen macht die Masse zu Studenten. Kriegsflüchtlinge sind in ihrer überwältigenden Mehrheit Frauen mit ihren Kindern; doch die Sprache mit ihrem quasi-neutralen Begriff „Flüchtling“ lenkt davon ab.

Zum anderen verschwinden Frauen als gesellschaftliche Subjekte: Politische und ökonomische Entscheidungen werden bekanntlich mehrheitlich von Männern gefällt. Weder als Agierende noch als Betroffene von politischen Strategien tauchen Frauen auf. Zum dritten recycelt die Medienwelt die männerdominierte Realität: Männer entscheiden, was ein Ereignis ist, Männer berichten darüber und bestätigen sich, Männer zitieren sich gegenseitig und reproduzieren so ihre Macht.

Was also macht die feministisch angehauchte Chefin vom Dienst, die auf ihrem Tickerberg hockt und verzweifelt nach Frauen Ausschau hält? Wie kann sie die von Weiblichkeit bereinigte Realität für ihre Zeitung wieder mit Frauen anreichern?

Falls sie nicht eh schon unter dem Zeit- und Produktionsdruck ihre guten Vorsätze aufgegeben hat – schließlich ist es doppelte Arbeit – besteht sie zum Beispiel auf dem „großen I“. Um es dann, wenn es allzu häßlich aussieht, wie bei den „PolInnen“, wieder ersatzlos zu streichen. Sie versucht, sich und KollegInnen für die Wahrnehmung auch der weiblichen Seite des Lebens zu sensibilisieren. Doch dazu braucht es Informationen, die in den gelieferten Nachrichten nicht enthalten sind. Sie bittet KorrespondentInnen, das Fernglas in die Hand zu nehmen und es bei wichtigen politischen Ereignissen auf Frauen zu richten. Oft genug: Fehlanzeige. Sie versucht, Portraits, Interviews und Debattenbeiträge von Frauen ins Blatt zu heben. Doch häufig genug haben sich die Frauen verkrochen und tun so, als hätten sie zu brisanten politischen Ereignissen nichts zu sagen.

Männer indes reden immer und scheinbar problemlos. Und wenn frau ihr ständiges Scheitern erst einmal akzeptiert hat und als Nachrichtenredakteurin zugerichtet ist, hilft sie ihnen kräftig dabei. usche/bam