Staatenloser abgeschoben

■ Nach fünf Jahren sind Ausweise aus der „G-Liste“ wieder aufgetaucht

Ein staatenloser Palästinenser wurde Ende Februar mit einem Paß aus der sogenannten „G-Liste“ in den Libanon abgeschoben. Vor fünf Jahren waren die Dokumente aus dieser Liste, die nach dem früheren libanesischen Staatspräsidenten Gemayel benannt worden war, Gegenstand der Ermittlungen gegen den damaligen Innensenator Wilhelm Kewenig. Dieser wurde verdächtigt, die Fälschung der Ausweise veranlaßt zu haben. Der Rechtsanwalt des Abgeschobenen, Rüdiger Jung, sagte gestern gegenüber der taz, daß der Paß seines Mandanten ungültig gewesen ist. Jung befürchtet, daß die Ausländerbehörde jetzt auch andere Staatenlose mit Hilfe dieser Ausweisdokumente in den Libanon abschieben will.

Anfang 1989 tauchten plötzlich für rund 300 Libanesen, Palästinenser und andere Staatenlose aus dem Libanon neue Pässe auf, mit denen sie abgeschoben werden sollten. Schon bald häuften sich die Indizien, daß die neuen Pässe wahrscheinlich Blanko-Formulare aus dem Libanon waren, die dann in Berlin von der Ausländerbehörde zu gültigen Dokumenten frisiert wurden. Nach Meinung der Alternativen Liste und der Anwälte der Betroffenen hatte die Innenbehörde seinerzeit Urkundenfälschung begangen.

Die Innensenatsverwaltung dementierte diesen Vorwurf vehement: Die ohne Wissen der libanesischen Botschaft ausgestellten Pässe seien auf persönliche Initiative des Innensenators Kewenig bei einem Besuch des rechtsgerichteten libanesischen Staatspräsidenten Gemayel zustande gekommen. Die über 200 Ausweisdokumente seien von einem hohen Beamten der libanesischen Paßbehörde ausgestellt worden, der deshalb eigens im Sommer 1988 für drei Tage nach Berlin gereist war. Der Tatbestand der Urkundenfälschung habe somit nicht vorgelegen.

Zu demselben Ergebnis kam die Staatsanwaltschaft. Sie stellte die Ermittlungen gegen Kewenig ein. Auf eine Abschiebung der betroffenen Personengruppe in den Libanon hatte der Senat aufgrund massiver Proteste in der Öffentlichkeit verzichtet.

Der Pressesprecher der Innensenatsverwaltung, Norbert Schmidt, erklärte gestern, daß der vor kurzem abgeschobene Palästinenser der erste Fall seit vier Jahren gewesen sei, bei dem ein Staatenloser mit einem Paß der „G-Liste“ des Landes verwiesen wurde. „Hier wurde ein Straftäter mit einem regulären, gültigen Paß abgeschoben. Da finden wir nichts Sonderbares dran.“ Der Palästinenser habe eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verbüßt. Nach einem Verwaltungsgerichtsurteil sind die Ausweise gültige Dokumente, sagte Pressesprecher Schmidt.

Nach Aussage der libanesischen Botschaft in Bonn wurden die Reisedokumente der „G-Liste“ nicht verlängert und sind deshalb auch ungültig. Doch die Innenbehörde ficht das nicht an. „Ob die Pässe nun gültig sind oder nicht, der Mann ist da angekommen und wurde nicht wieder zurückgeschickt“, gab Schmidt zu bedenken. Olaf Bünger