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: Isoliertes Nichts

„Immer ist's die Mafia“, Dienstag, 21.15 Uhr, West 3

Das sicherste Gefängnis des ehemaligen KGB hat einen treffenden Namen: Isolator. Ein höchst ungemütlicher Ort in St. Petersburg, wo selbst der enge Hof nach oben hin vergittert ist. Hierher kommen all die kleinen, neuen Kriminellen, denen der marktwirtschaftliche Aufschwung in Rußland nicht schnell genug geht. Die meisten prahlen mit ihren angeblichen Kontakten zum Organisierten Verbrechen, umgekehrt machen die Bürger und die Behörden immer wieder die Mafia, wie sie auch hier heißt, für alle kleinen und großen Verbrechen verantwortlich. St. Petersburg gilt derzeit als eine der Verbrechenshochburgen. ARD-Korrespondent Hans-Josef Dreckmann wollte wissen: Ist das wirklich immer die Mafia, und wer ist sie oder wird dafür gehalten? Mit Sonderkommandos der Polizei werden die Gauner ausfindig gemacht und festgenommen. Oft nimmt einer der Beamten die Aktionen per Videokamera auf – nicht um sie an einen Kommerzsender zu verscherbeln, sondern um sich selbst und der Öffentlichkeit vorzugaukeln, man leiste erfolgreiche Arbeit. Dreckmann durfte auch ein paarmal filmen, aber ausgerechnet hier zog das Sonderkommando jedesmal eine Niete.

So zählt Dreckmann polizeiliche Ermittlungsergebnisse auf: Es herrsche reger Handel von Diebesgut zwischen St. Petersburg und dem Westen, 70 Prozent der westlichen Autos stammten aus derartigen Deals. Dann eine arge Behauptung: Alle seien beteiligt, die Behörden, die Wirtschaft, die Polizei – sie alle seien die Mafia, und nicht irgendein Geheimclub – italienische Verhältnisse also? Als Kronzeuge tritt ein André Berlin auf, der in der Grauzone zwischen legalem Handel und kollegialem Kontakt mit der Mafia agiert. Die Kriminellen seien bekannt, aber niemand nehme sie fest. Beispiele nennen könne er allerdings nicht, schließlich sei für diese Leute jeder, der ihnen nicht passe, „sofort abschußfähig“.

Höhepunkt des Beitrags war ein Gespräch per Funktelefon zwischen André Berlin und einem von ihm „betreuten“ Gefangenen. Darüber hinaus gelang es Dreckmann nicht, die Mauer des Schweigen zu durchbrechen. So vermittelte sein Bericht eher eine Stimmung allgemeiner, irrationaler Bedrohung als ein Einblick in die Vernetzungen des wirtschaftlichen Undergrounds. Oliver Rahayel