Bieder trotz angekündigter Experimentierfreude

■ Das Programm des Kölner Privatsenders kam zu oft zu öffentlich-rechtlich daher, während die Konkurrenz auf anderer Frequenz längst – trendy – auf die Nische setzt

Außer Spesen nichts gewesen – nach vornehin ist es klar, warum die Vox-Gesellschafter den Sender schließlich fluchtartig verlassen haben. Und doch muß man sich wundern, daß der Abgang – gerade auch der bislang beteiligten Banken – wie ein endgültiger Rückzug aus dem Fernsehgeschäft erscheint, an dem sie sich die Finger verbrannt haben. Denn das Ende von Vox fällt in eine Zeit, in der alle Analysten der Medienbranche für die nächsten zehn Jahre neue Riesengewinne prognostizieren – mit noch mehr Programmen, die dank digitaler Kompression schon heute technisch machbar sind.

Die Medien- und Wirtschaftsseiten der Zeitungen sind voll von Szenarios, nach denen wir Bundesdeutschen alsbald soviel erngucken können wie beispielsweise die Leute in New York – 150 Kanäle. Die Nachbarn drüben gucken allerdings neben den Vollprogrammen der großen Networks vor allem Nischenprogramme – Spartenfernsehen von der interaktiven Videojukebox bis zum Arabic Channel. Als weiteres Zukunftsgeschäft gilt Pay-TV, das von Werbegeldern unabhängig ist. Die Macher von Vox aber haben eben nicht – mit der Ausnahme des von ihnen gescholtenen Alexander Kluge – auf die Nische gesetzt, sondern auf ein Vollprogramm von eigentlich öffentlich-rechtlicher Machart. Während etwa RTL längst trendy den lieben langen Tag Nische an Nische reiht – von „Achtzehn30“ bis zur „Schrecklich netten Familie“ – kommt Vox recht eindimensional daher: vor allem ordentlich. Bei Themen, bei denen selbst die ARD noch brisant herumschmuddeln würde, hat Vox die saubersten Moderatoren. An der durchscheinenden Biederkeit des Programms hat auch alles anfängliche Gerede übers experimentierfreudige Design nichts ändern können. So nahm Vox 1993 statt erwarteter 100 Millionen Mark durch commercials nur 30 Millionen ein.

Der tiefere Grund, warum die Konsorten nicht zu ihren Quoten und damit zu schönen Aussichten aufs gute Geld gekommen sind, liegt vermutlich darin, daß sich die von Vox angepeilte Zielgruppe der „überdurchschnittlich informierten, gebildeten und kritischen Zuschauer“ wie alle anderen Zuschauer einfach danebenbenimmt: Sie guckt, was sie will.

Auch hektischer Personalaustausch und ein unterhaltsameres Konzept mit mehr Serien konnten den Niedergang des Senders nicht verhindern. Selbst beim Management von Sportrechten machte Vox noch Fehler. Statt sich die US- Basketball-Liga zu sichern, die beim jungen Publikum besonders gut ankommt, sendet Vox stundenlang deutschen Bundesliga- Handball in der Prime time. Während das ambitionierte Sportmagazin „Sports-TV“ finanziell kurzgehalten und schließlich sogar eingestellt wurde, zog man sündhaft teure Tennisrechte, unter anderem für Wimbledon, an Land. Das garantiert hohe Quoten allerdings nur für sehr kurze Zeit.

ARD-Programmdirektor Struve höhnte gestern gegenüber dpa, daß das Schicksal von Vox der Beweis sei, „daß wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen“. Struve: „Ich habe zuerst mit Besorgnis verfolgt, mit was für einem Anspruch Vox an den Start gegangen ist. Aber bereits im April 1993 war mir klar, daß nach den ersten Veränderungen dieses Programm keine Konkurrenz mehr für uns bedeuten konnte. Die Talk- Shows waren langweilig, die Nachrichten von Meinung durchsetzt. Um Vox ist es, so wie es jetzt ist, nicht schade.“ Peter Hanemann