Reise von St. Georg nach St. Pauli

■ Ein Bildband dokumentiert das Werk des Fotografen „Germin“ Von Martina Parge

Sein Lieblingsthema sind Menschen am Arbeitsplatz: Sie sortieren, waschen, drehen, mauern, schleppen und tippen – und geben dabei Auskunft über ihre Zeit. Einen besonderen Leckerbissen hat das Hamburger Museum für Arbeit herausgegeben: Das Buch Foto Germin dokumentiert Werk und Leben des Bildjournalisten Gerd Mingram – „Germin“ eben. Fast 50 Jahre Hamburger Sozialgeschichte werden lebendig: Mit 115 Bildern und umfangreichen Memoiren des Künstlers lädt das Buch zu einer Entdeckungsreise ein, die im Stadtteil St. Georg der dreißiger Jahre beginnt und ins St. Pauli von '68 führt. Bereits vor fünf Jahren hatten das Museum für Hamburgische Geschichte und das Museum für Arbeit das 80.000 Negative umfassende Archiv Germins gekauft und der Landesbildstelle übergeben.

Die Fotografenkarriere des inzwischen fast 80jährigen begann mit einem Zufall: Der gelernte Setzer wurde von einem Kollegen gebeten, ihn bei einem Fotoreportageauftrag – Freifahrt im Ballon – beim Aufstieg zu fotografieren. Als er am nächsten Tag das von ihm geschossene Bild in der Reportage abgedruckt sah, war sein Ehrgeiz geweckt. Fotowettbewerbe und freie Mitarbeit wurden zum Einstieg in den Fotojournalismus.

In der Nazizeit wurde Gerd Mingram unfreiwillig Mitarbeiter beim „Hamburger Tageblatt“, dem offiziellen Parteiorgan der Nationalsozialisten. In drei Jahren entstanden hundert Serien und Reportagen. Nur thematisch gefiel dem "echten Barmbeker Kind“ die Arbeit, bei der Einblicke in das Arbeits- und Sozialleben Hamburgs die Hauptzahl der Aufträge bestimmte. Geprägt durch Armut in der Kindheit und Erlebnisse im Arbeiterviertel und in der Arbeiterjugendbewegung in den zwanziger Jahren, fühlte sich Germin stets zu Arbeitern hingezogen.

1945 ins zerbombte Hamburg zurückgekehrt, verdiente er sich sein Geld zunächst mit Paßfotos, dann mit Bühnenfotografie. Später entstanden größere Text-Bildreportagen für mehrere Gewerkschaften. 1951 begann eine 25 Jahre währende feste Mitarbeit als Werbefotograf bei den Hamburger Gaswerken und bei den Hamburger Wasserwerken.

In den sechziger Jahren folgten dann Reisen durch Deutschland; Germin schoß sozialkritische Reportagen zu Gastarbeiterproblemen und Wohnungselend.

Viele der Aufnahmen Germins sind sorgfältig inszeniert: „Ich wollte immer erreichen, eine möglichst glaubwürdige, echte Situation herzustellen.“

Martina Parge

Foto Germin. Werk und Leben eines Bildjournalisten. Dölling und Galitz Verlag, 68 Mark. – Einige Fotos von „Germin“ sind im HWW-Info-Treff in der Kleinen Johannisstraße 2 zu sehen: Mo-Fr 8-18 Uhr