Ungesunde Ökonomie

■ Seehofers Kostendämpfung: Zahnärzte haben sie überlebt, viele Masseure nicht Von Sannah Koch

Die einen haben laut geschrien und sind glimpflich davongekommen. Andere waren arglos und haben draufgezahlt. Apokalyptische Prophezeiungen hat das von Bundesgesundheitsminister Seehofer verordnete Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vor einem Jahr bei der Hamburger Ärzteschaft hervorgerufen – Zahnärzte sahen sich bereits um Haus und Hof geprellt, andere Mediziner zeigten Seehofer die Rote Karte. Ein Jahr danach: Zahnärzte üben sich im Gemeinschaftspraxis-Sozialismus und Masseure gehen stempeln.

Den größten Lärm hatten die Dentisten geschlagen: Einkommenseinbußen bis zu 40 Prozent wegen der Honorarsenkungen bei Zahnersatz und die Beschränkungen bei der Verschreibung von Medikamenten hatte die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) prognostiziert. Und heute? „Es ist nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten“, räumt deren Sprecher Gerd Eisentraut ein. Tatsächlich wurden die von Seehofer gekürzten (“gedeckelten“) Verschreibungsbudgets teilweise nicht einmal ausgeschöpft. Wie hoch die Einkommenseinbußen der Zahnärzte denn nun wirklich sind? „Wissen wir noch nicht“, so Eisentraut. Zum Zwecke der Risikominimierung sei aber ein deutlicher Trend zur Gemeinschaftspraxis auszumachen.

Klarer Fall für Bernd Kalvelage, Sprecher der Hamburger Ärzteopposition. „Die am lautesten geschrien haben, haben sich am schnellsten angepaßt.“ Die damaligen Ankündigungen, die Mengenbegrenzung bei der Arzneimittelverschreibung führe dazu, daß Patienten wichtige Medikamente vorenthalten würden, hätten sich nicht bewahrheitet.

„Aber es gab sehr ungute Arten der Problemverschiebung“, so Kalvelage. So habe manch niedergelassener Arzt seine Patienten wegen teurer Medikamente einfach an Krankenhäuser verwiesen. Besorgniserregender finde er, daß sich Patienten die verordneten Arzneien wegen hoher Rezeptgebühren nicht leisten könnten. „Mit der Ökonomie am Gesundheitssystem herumzudoktern, ist gefährlich“, warnt Kalvelage. Schlimm wäre, wenn das alte Prinzip „Weil Du arm bist, mußt Du früher sterben“ wieder Einzug halte.

Was Ökonomie für Folgen haben kann, haben Masseure deutlich zu spüren bekommen. „Wir haben anfangs gedacht, was geht uns Seehofer an“, erzählt Juliane Huse vom Verband Physikalische Therapie. „Und dann wurde über Nacht nichts mehr verschrieben.“ Bis zu 80 Prozent Einkommenseinbußen hätten die Massagepraxen zunächst gehabt, inzwischen habe es sich auf ein Minus von 25 Prozent eingependelt. Radikale Kostendämpfung in 30 Massagepraxen Schleswig-Holsteins und zehn Hamburger – sie mußten dicht machen.