Koalition ratlos über Sozialkürzungen

■ Sparvorlage erwischte die Sozialpolitikerinnen der Ampel nicht unvorbereitet, aber hart / SPD billigt den Sparrahmen

„Über die Brücke dieser Liste gehe ich nicht“, erklärte gestern die SPD-Sozialpolitikerin Elke Steinhöfel, Annegret Pautzke (FDP)meinte: „Das ist gar nicht in Worte zu fassen, so schrecklich ist das.“ Und die grüne Karoline Linnert sagte: „Es ist leichtsinnig, so eine Vorlage zu machen. Ich warne alle , das nicht ernst zu nehmen.“

Die Sparliste des Ressorts Gesundheit, Jugend und Soziales hat gestern nacktes Entsetzen ausgelöst (vgl. „Bremen verdorrt im Sparzwang“, taz vom 10.3.1994). Das Ressort muß in diesem und im nächsten Jahr je sieben Mio. Mark an konsumtiven Ausgaben sparen, knapp fünf (1994) bzw. sechs Mio (1995) im investiven Bereich (insgesamt knapp 25 Mio. ohne Sozialhilfe-Mehrbedarf von knapp 20 Mio. in 1994). Die Sparliste, die bei der Umsetzung dieser Quoten herausgekommen ist, sieht radikale Kürzungen u.a. bei den Projekten, im Drogen- und Aids-Bereich, bei den Frauenhäusern und im Krankenhaus-Investitionsprogramm vor.

Wichtigstes Ereignis gestern: Die SPD hat auf ihrer dreitägigen Klausurtagung in Emden „dem Gesamtumfang der Minderausgaben in Höhe von DM 115 für 1994 und DM 80 für 1995“ im Gesamthaushalt zugestimmt und den Vorschlag des Wirtschaftskabinetts Wedemeier, Kröning, Fücks und Jäger „zur Kenntnis“ genommen. Die hatten die Sparquoten auf die Ressorts verteilt. Dabei waren für Gesundheit, Jugend und Soziales für die beiden Jahre rund 25. Mio herausgekommen. Allerdings hat sich die SPD-Fraktion noch eine Hintertür gegönnt: Bis Mai sollen die Sparvorschläge der Einzelressorts durch die Deputationen gegangen sein, die Fraktion behalte sich dann „eine Beratung über die Deputationsbeschlüsse vor“. Bis Mai sollen auch die vom Senat beschlossenen Bewirtschaftungsmaßnahmen aufrecht erhalten werden. Die Ressorts dürfen derzeit nur das ausgeben, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind. Zu den Einsparungen im Gesundheits- und Sozialressort erklärte Dittbrenner: „Zu Einzelposten werden wir nicht Stellung nehmen, sondern nur eine Gesamtbetrachtung machen.“

Steinhöfel und Linnert setzen auf eine Moratoriumslösung: Gespart werden könne später im großen Stil, wenn die Einführung der Datenverarbeitung (Prosoz) in der Sozialhilfe greife und das Landespflegegeld gestrichen wird, sobald die Pflegeversicherung eingeführt ist (was gestern in Bonn beschlossen wurde). Allein durch die Entlastung der Pflegeversicherung in der Sozialhilfe werden in Bremen Einsparungen von 50 bis 80 Mio erwartet. Die FDP ist skeptisch: „Wer weiß, um wieviel die Sozialhilfeausgaben bis dahin wieder gestiegen sind“, meinte die FDP-Sozialpolitikerin Pautzke. mad