Gentech im Essen

■ EU-Kommission berät Nouvelle Food

Brüssel (taz) – Gentechnisch hergestellter Zucker im Kaffee, mit Chymosin gereifter Käse oder mit Gen-Hefe gebackenes Brot, alles kein Grund zur Aufregung, meint die Europäische Kommission. Was der Verbraucher nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Industrie-Kommissar Martin Bangemann, der in Brüssel auch für Essen und Trinken zuständig ist, soweit die Industrie ihre Finger im Teig hat, legte gestern dem Ministerrat einen neuen Vorschlag für eine europäische Verordnung vor, der von großer Sorge für die Industrie getragen ist.

Die Verordnung soll die Zulassung genmanipulierter Lebensmittel für alle Mitgliedsländer der EU einheitlich regeln. Bisher können in den meisten Ländern genmanipulierte Produkte ohne weiteres verkauft werden, auch in Deutschland fehlen eindeutige Regelungen. Die Verordnung wird auch vom Europaparlament begrüßt. Allerdings hat das Parlament nach den bisher 13 Entwürfen eine Reihe von Verschärfungen gefordert, die von der Kommission ziemlich alle ignoriert wurden.

Die Kommission lehnt auch in ihrem nunmehr 14. überarbeiteten Entwurf die generelle Kennzeichnungspflicht ab. Nur wenn ein Mitgliedsstaat Einwände etwa gegen genmanipulierten Traubensaft anmeldet, dann muß auf dem Karton ein Hinweis auf die Behandlung aufgedruckt werden.

Neu aufgenommen wurden dagegen einige Anregungen aus der Industrie. Etwa: „Lebensmittel, die aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden, welche keine wesentliche Veränderung ihrer Zusammensetzung, ihres Nährwertes oder ihrer Bestimmung im Vergleich zu Erzeugnissen erfahren haben, die auf herkömmliche Weise hergestellt wurden“, sollen von der Verordnung verschont bleiben. Weil auch Minister den Inhalt solch ausgefeilter Grammatik nicht immer sofort verstehen, erläuterte ihnen Bangemann am Beispiel der Zuckerrübe, was er meint: „Aus einer gentechnisch veränderten Zuckerrübe hergestellter Zucker, der sich nicht von herkömmlichem Zucker unterscheidet“, solle auch wie herkömmlicher Zucker behandelt werden: Keine Genehmigungspflicht, keine Kennzeichnung.

Die endgültige Entscheidung liegt bei den 12 Wirtschaftsministern der EU-Länder, die bis zum 16. Juni darüber befinden werden, wie sie zu dem Entwurf stehen und was sie daran verändern wollen. Danach geht die Verordnung noch einmal ins Europaparlament, wo bereits die Messer geschliffen werden. Der geänderte „Verordnungsentwurf ist eine Verhöhnung des Parlaments“, wettert die Abgeordnete der Grünen, Hiltrud Breyer. Auch andere Europaparlamentarier fühlen sich von der Kommission kalt übergangen und haben Widerstand angekündigt. Viel mehr als kratzen können sie aber nicht. Die Verordnung fällt in den Bereich der Entscheidungen, bei denen die zwölf Minister bei Einstimmigkeit das Parlament problemlos übergehen können. Alois Berger