Inhaftierter Türke wird zum Bonner Fall

■ Bündnis 90/Die Grünen und Solidaritätskomitee fordern Freilassung von Mahmut Özpolat / In der Heimat droht Tod

Die Auslieferung des politischen Flüchtlings Mahmut Özpolat an die Türkei muß verhindert werden. Dies forderte gestern der Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Grüne, Wolfgang Wieland. Der 58jährige Türke sitzt seit Ende Dezember letzten Jahres in der Vollzugsanstalt Moabit in Einzelhaft (siehe auch taz vom 4. März). Die Türkei fordert seine Auslieferung, weil er 1980 zu einem Mord angestiftet haben soll. Dem schwerkranken Mann, dem ein Lungenflügel fehlt, droht nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen „amnesty international“ und „medico international“ in seiner Heimat eine lebenslange Haftstrafe, wenn nicht sogar die Todesstrafe. Mittlerweile hat sich die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke in einem offenen Brief an das Bundesjustizministerium gewandt, bei dem nun die letzte Entscheidung liegt.

Vor einer Woche hatte das Berliner Kammergericht entschieden, dem Auslieferungsbegehren stattzugeben. Die Grundlage für diesen Beschluß, sagte Özpolats Anwalt Olaf Franke gestern, seien nicht Zeugenaussagen oder Beweise gewesen, sondern nur ein Haftbefehl und der schlecht übersetzte Auslieferungsantrag der türkischen Ermittlungsbehörden.

Wieland war entsetzt, daß die Justiz bei Özpolat ähnlich verfahre wie schon vor zehn Jahren bei Kemal Altun. Obwohl Altun anerkannter Asylberechtigter war, sollte er an die Türkei ausgeliefert werden. 1983 nahm er sich während einer Verhandlung mit einem Sprung aus dem Gebäude des Bundesverwaltungsgerichtes das Leben. Wieland war damals sein Anwalt: „Ich hatte gehofft, daß es nicht noch einmal solch einen Fall geben würde.“

Auch Özpolat habe den Status eines politischen Flüchtlings, sagte Franke. Denn der Türke sei im Besitz eines Flüchtlingsausweises der Vereinten Nationen. Zwar wurde nach Angaben seines Anwalts der Asylantrag abgelehnt. Das Berliner Verwaltungsgericht habe jedoch 1989 erklärt, daß seinem Mandanten nach einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung drohe, so Franke. Özpolat mußte 1981 nach dem Militärputsch fliehen, weil er aktiver Gewerkschafter und Mitglied der Türkischen Arbeiterpartei gewesen war.

Das letzte Wort über die Auslieferung hat nun das Bundesjustizministerium. „Es ist jetzt eine rein politische und keine juristische Entscheidung mehr“, so Franke. Der Anwalt will Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen. Laut Wieland kann es jedoch Monate und sogar Jahre dauern, bis das Verfassungsgericht zu einer Entscheidung kommt. Man müsse diese Zeit gut nutzen, um politischen Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. In Berlin, so Wieland, werde seine Fraktion versuchen, eine Haftentlassung für Özpolat durchzusetzen. Inzwischen wurde auch von Freunden des Inhaftierten ein Solidaritätskomitee gegründet. Sie wollen mit Kundgebungen und einem Hungerstreik gegen die Auslieferung vorgehen. Olaf Bünger