„Wir brauchen die Buren nicht!“

Südafrikanische Neofaschisten fielen in Bophuthatswana ein, um zu verhindern, daß dort gewählt wird / Diktator Mangope meldete überraschend die Teilnahme seiner Partei an  ■ Aus Mmabatho Willi Germund

Durchgeladene Maschinengewehre, Schnellfeuerwaffen und Jagdgewehre starrten aus Autofenstern und von Ladeflächen, als gestern Mittag Hunderte von Mitgliedern der neofaschistischen „Afrikaner Weerstandsbeweging“ (AWB) aus dem südafrikanischen Homeland Bophuthatswana abzogen. In Mafikeng, einer Nachbarstadt der Hauptstadt Mmabatho flog einem Wagen plötzlich ein Stein hinterher. Als ein Rechtsradikaler daraufhin das Feuer eröffnete, antworteten Soldaten der Armee von Bophuthatswana mit ihren Gewehren. Einer der in Khaki gekleideten Männer starb auf der Stelle. Ein anderer stolperte verletzt aus dem Wagen, ein Dritter kniete neben dem Fahrzeug nieder und betete. Ein kurzer Wortwechsel folgte, bis plötzlich ein Polizist seine Waffe zückte und die beiden Buren erschoß.

Eine kaltblütige Hinrichtung in einer undurchschaubaren Lage in dem 1977 gegründeten Kunststaat. Denn während der AWB abzog, blieben rund 2.000 Mitglieder der „Afrikaner Volksfront“ auf dem Militärflughafen von Bophuthatswana. Die Begründung, so Constand Viljoen, einst Chef der südafrikanischen Streitkräfte und jetzt Führer der „Afrikaner Volksfront“: Sie sollten wieder für Ruhe und Ordnung sorgen, nachdem Diktator Lucas Mangope am Donnerstag vor den Protesten und Demonstrationen geflohen war.

Die Volksfront eilt Mangope zu Hilfe, weil er ein wichtiges Glied in der Kette der südafrikanischen Wahlgegner darstellt. Am Mittwoch hatte sich Mangope bei Gesprächen mit der unabhängigen Wahlkommission Südafrikas geweigert, die Wahlen in seinem Reich stattfinden zu lassen. Schwere Unruhen waren die Folge. Gestern bemühten sich die Streitkräfte des Homelands, wieder Ruhe und Ordnung herzustellen. „Wir brauchen die Buren nicht“, erklärte ein Offizier an einer Straßensperre aus zwei Panzerwagen – wohlwissend, daß immer noch Tausende von Rechtsradikalen auf dem Militärflughafen in Bereitschaft lagen.

„Der AWB hat hier eine Frau erschossen“, klagten Anwohner neben einem brennenden Gebäude und zeigten auf eine Blutlache. Unterdessen sickerten Panzerwagen der südafrikanischen Streitkräfte in die Stadt – offiziell, um die Botschaft des Landes zu beschützen. Außenminister Pik Botha hatte noch am Morgen erklärt, seine Regierung habe keine unmittelbaren Pläne für einen Einmarsch südafrikanischer Truppen in Bophuthatswana: „Nur wenn südafrikanisches Eigentum bedroht wird, werden wir eingreifen.“

Zu dem Zeitpunkt wußte die Regierung in Pretoria nicht einmal, daß sich Tausende von schwerbewaffneten Rechtsradikalen in Bophuthatswana befanden. „Wir wollen Recht und Ordnung aufrechterhalten und garantieren, daß auch in Bophuthatswana Wahlen stattfinden werden“, erklärte ein Funktionär im Außenministerium. Um Recht und Ordnung kümmerte sich zu dem Zeitpunkt die „Afrikaner Volksfront“ im Verein mit den Resten der Sicherheitskräfte von Bophuthatswana – und forderte damit sowohl die Regierung Südafrikas wie auch den ANC heraus. Denn während der letzten Monate hatten sowohl de Klerk wie auch Mandela mit immer neuen Zugeständnissen versucht, keinerlei Anlaß für einen solchen Konflikt zu geben. Eine frontale Auseinandersetzung mit Gegnern der ersten demokratischen Wahlen in Südafrika sollte vermieden werden.

Doch nicht nur Mangope machte mit seiner Halsstarrigkeit einen Strich durch diese Rechnung. In Pretoria, aber auch im ANC-Hauptquartier unterschätzten die Politiker die Entschlossenheit der 2,5 Millionen Einwohner von Bophuthatswana, an den ersten demokratischen Wahlen Südafrikas teilzunehmen.

Doch während Südafrikas Reformgegner versuchten, Mangope und die Boykottfront zu retten, macht ausgerechnet Apartheid- Dinosaurier Lucas Mangope einen Strich durch ihre Rechnungen. Gestern nachmittag verteilte sein Pressesprecher plötzlich eine Erklärung, Mangope habe seine „Northwest Christian Democratic Party“ doch noch für die Wahlen eingeschrieben. Er wolle seinem Parlament am kommenden Dienstag empfehlen, diesen Beschluß zu ratifizieren. „Ich hoffe, daß sich damit alle Gründe für Streiks und andere Aktionen erledigt haben.“ Ob Mangope mit diesem Zugeständnis seinen Posten und seine Privilegien retten kann, entscheidet sich auf den Straßen des Schwarzenreservats. Siehe auch Kommentar Seite 10