■ Ökolumne
: Grüne Steuern Von Gro H. Brundtland

Würden weltweit soviel Energie verbraucht und so viele natürliche Ressourcen ausgebeutet wie im Westen, die Erde verkraftete es nicht. Und wäre es tatsächlich so, daß eine Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen soviel verbrauchte, wie es der Westen heute tut, benötigten wir zehn Welten, damit alle unsere Bedürfnisse zufriedengestellt werden könnten. Dies wird deutlich, wenn man sich den Nahrungsmittelkonsum in Nordamerika vergegenwärtigt, der fast 20mal höher liegt als in Indien oder China und 60- bis 70mal höher als in Bangladesch.

So wie heute produziert und konsumiert wird, kann es nicht weitergehen. Wie aber verbessert man die Umweltqualität und hält gleichzeitig die Wirtschaft auf hohem Niveau, so daß die Gesellschaften nach uns für die meisten Menschen mehr

Hoffnung bereit-Foto: Reuter

halten können? Bei der Suche nach einem Weg, den Verbrauch weltweit auf ein bestandsfähiges Maß zu bringen, hat die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung erkannt, daß die Unterstützung für ein Programm, durch das der Lebensstandard der Industrieländer gesenkt würde, schwierig ist. Blühende Volkswirtschaften, Investitionen in großem Stile und technologischer Wandel sind die Voraussetzungen für eine globale Veränderung. Diese wird es nicht geben, wenn die Wirtschaftsaktivitäten heruntergefahren werden.

Man muß sehen, daß es Reiche in armen Ländern und Arme in reichen Ländern gibt. Viele, die als „reich“ bezeichnet werden, sind selbst nicht dieser Meinung. Angesichts der 34 Millionen Menschen, die in den Industrieländern keine Arbeit haben, wird deutlich, daß beides, die Arbeitslosigkeit und der notwendige Übergang zu einer bestandsfähigen Entwicklung, zusammen angegangen werden müssen. Die Kommission kam zu dem Schluß, daß das Wirtschaftswachstum im Wesen geändert werden müsse. Bisher hat wirtschaftliches Wachstum bedeutet, daß immer mehr Güter unter Ausnutzung von immer mehr natürlichen Ressourcen produziert wurden.

Das Konzept Wachstum ist nicht perfekt. In ihm vereinigen sich vielfältige menschliche Aktivitäten; Wandel, der positiv ist, und solche Dinge, die untragbar sind. Eine Strategie, mit der man leben kann, sollte sein, das Bedürfnis nach Wachstum mit dem Bedürfnis nach Wandel in Einklang zu bringen. In der kommenden Dekade wird es Wachstum eher im Dienstleistungsbereich als in der Produktion geben.

Wie wir damit weiterkommen, unseren Energieverbrauch von unserem Bruttosozialprodukt abzukoppeln, ist einer der Grundzüge unserer Zeit, der sich vielversprechender als andere anläßt. In Norwegen ist dieser Verbrauch mit Ausnahme der Off-shore-Aktivitäten seit 1980 konstant geblieben. Im gleichen Zeitraum ist auf dem norwegischen Festland unser Bruttosozialprodukt um 20 Prozent gestiegen. Auch das Mittel Steuern wird von uns eingesetzt, um den Wechsel von schwereren zu leichteren Ölen und letztlich zum Strom aus Wasserkraftwerken zu erleichtern. Dies hat bereits zu einer 60prozentigen Reduzierung der Schwefeldioxidemissionen geführt.

Noch nicht zur Gänze erforscht haben die einzelnen Länder, was es für ihre Habenseite heißt, wenn ein Teil der Steuerlast von den Ressourcen, die wir zuwenig nutzen, wie zum Beispiel die Arbeitskraft, abgeschöpft und auf die begrenzten Ressourcen, die wir zuviel in Anspruch nehmen, umgelegt wird. Diese „grünen Steuern“ sollten auf vielen Ebenen eingeführt werden, so daß die Wettbewerbsfähigkeit nicht abnimmmt.

Um nicht stehenzubleiben, müssen wir eine Forschung, wie sie damals die Menschen auf den Mond gebracht hat, aktivieren. Ein Schritt in diese Richtung ist das US-amerikanische Programm, in dem es um die Entwicklung des Autos der Zukunft geht.

Das Problem mit der Umwelttechnologie ist, daß sie kein privates Bedürfnis darstellt, sondern die Allgemeinheit angeht. Nur wenn alle zusammen handeln, kann dieses Bedürfnis artikuliert werden. Da in unseren Wirtschafssystemen noch nicht in genügendem Maße darauf Rücksicht genommen wird, welche Schäden den Menschen oder der Umwelt zugefügt werden, müssen wir sicherstellen, daß die Anreize und die abschreckenden Maßnahmen an die Bedürfnisse heutiger und künftiger Gesellschaften angelehnt sind. Verfügt ein Markt über keine entsprechenden Grundlagen, so muß politisch eingegriffen werden.

Norwegens Ministerpräsidentin. Leicht gekürzt aus ips