„Verbände machen sich fett“

■ Die Bremer FDP hat die Sozialprojekte auf's Korn genommen / Große Mehrheit für den alten und neuen Landesvorsitzenden Manfred Richter

Eine heftige Diskussion um die Sozialpolitik in Bremen beherrschte den Landesparteitag der FDP im World Trade Center am Samstag. Die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Annegret Pautzke, erklärte erneut, daß die in der letzten Woche bekannt gewordene Sparliste des Sozialressorts „so auf gar keinen Fall“ umgesetzt werden dürfe. Das Ressort muß in diesem und im nächsten Jahr rund 12 bzw 13 Mio Mark einsparen. Dazu hatte es eine Liste von Kürzungen gegeben, die vor allem im Bereich der Selbsthilfegruppen und Projekte empfindliche finanzielle Schnitte vorsehen.

Für ihre Position handelte sich die FDP-Sozialpolitikerin heftige Kritik ein. Alle Ressorts müßten sparen, und Soziales habe noch nie gespart, erklärte Fraktionsgeschäftsführer Wolfram Neubrander. Es sei eine „Schweinerei“, mit einer „Giftliste die ganze Stadt aufzubringen“ und damit das „mühsam geschnürte Sparpaket wieder aufzumachen.“ Vor allem müßten die tatsächlichen Leistungen der „rot-grüne Sozialklientel“ überprüft und der Mißbrauch der Sozialleistungen bekämpft werden, forderte Neubrander: Wörtlich erklärte er: „Da müssen wir einmal richtig reingrätschen.“ Der Gesundheitsdeputierte Dr. Bringmann regänzte: „Viele dieser sogenannten Projekte sind doch nur Beschäftigungsprogramme für arbeitslose Sozialpädagogen.“

Die „Verbände machen sich in der Sozialpolitik fett“, meinte auch der Kulturdeputierte Dr. Thomas Becker, Innensenator Friedrich van Nispen warf der Abgeordneten Pautzke vor, eine „inszenierte Liste unreflektiert weiterzutragen“. „Auch ich habe mich bis zur Selbstverleugnung mit diesen Sparvorschlägen solidarisch erklärte, und es ist mir sehr schwergefallen. Fest steht: Wenn wir so weiter machen wie bisher, führt der Weg direkt vor die Wand.“ Zu sparen sei im Sozialressort u.a. im Bereich der Unterbringung von Asylbewerbern. „Die Zahlen der Erstantragsteller haben sich im Vergleich zu 1991 halbiert“, erklärte van Nispen.

Wirtschaftssenator Claus Jäger stand „staunend und fassungslos vor dem Phänomen, daß im Sozialressort alle halbe Jahre Millionenbeträge nachgefordert werden.“ Im Sanierungsprogramm seien 800 Mio. für Investitionen ausgewiesen, die Sozialhilfekosten beliefen sich dagegen auf knapp eine Milliarde Mark. „Wenn die SPD jetzt weiter bei den Investitionen sparen will, verabschiedet sie sich vom Sanierungsprogramm.“ Auch der FDP-Landesvorsitzende Manfred Richter sprach sich für die Sparliste aus. Es dürfe „keine Naturschutzparks für einzelne Ressorts geben“, erklärte er. Der Delegierte Ralf Mulde konnte dagegen „nicht mehr ganz folgen“. Es gebe Parteitagsbeschlüsse der FDP, „darin unterstützen wir ein erweitertes Methadonprogramm, die wissenschaftliche Begleitforschung dazu, Jugendprojekte wie den Sattelhof und mehr Angebote bei den Kindertagesstätten. Und jetzt wollen wir das alles streichen?“

Geschlossen zeigte sich die Bremer FDP dagegen bei der Wahl ihres neuen Vorstandes. Manfred Richter wurde mit großer Mehrheit als Landesvorsitzender bestätigt, ebenso seine Vertreter Claus Wolff-Pfisterer und Axel Adamietz.

Markus Daschner