„Mit Kleingärten, ohne Ihr Gewerbe“

Herr D.: Ich begrüße Sie zum heutigen Arbeitskreis für den Bebauungsplan Schnelsen 99 und ... ja, bitte Herr E., was ist denn?

Herr E.: Die Wirtschaftsbehörde moniert mit allem Nachdruck, daß ihr bis gestern, 15.30 Uhr, die Unterlagen für diese Sitzung nicht vorlagen. Ich hatte erhebliche Mühe, meinem Senator eine plausible Erklärung dafür zu liefern.

Herr K.: Aber Sie haben doch alles Notwendige vor sich liegen, wie ich sehe.

E.: Jetzt ja, aber gestern nicht.

K: Dann gehören Sie offenbar zu den Privilegierten. Ich jedenfalls sitze auch jetzt noch mit leeren Händen hier.

D.: Herr U., können Sie etwas dazu sagen?

Herr U.: Vielleicht kann Herr Fo. das erläutern...

Herr Fo.: Frau v. A. haben Sie eine Erklärung dafür?

Frau v. A.: Da müßte ich Frau St. fragen. Die sollte eigentlich während meines Urlaubs die Verschickung erledigen.

F: Frau St. ist seit 14 Tagen krank!

F.: Können wir jetzt vielleicht anfangen!? Das führt doch alles zu nichts.

E.: Die Wirtschaftsbehörde wollte nur darauf hingewiesen haben, daß der Bezirk zum wiederholten Male...

D.: Also, wir sollten jetzt wirklich beginnen. – Frau H., Sie hatten sich gemeldet.

Frau H.: Die Handwerkskammer spricht sich gegen die Ausweisung von Kleingärten entlang der AKN aus. Bereits beim B-Plan Niendorf 70 hatten wir gegen Kleingärten in lärmbelasteten Gebieten und statt dessen f ü r die Ausweisung von Gewerbe plädiert.

D.: Frau H., lassen Sie bitte Niendorf 70 aus dem Spiel! Der Plan ist festgestellt. M i t Kleingärten und o h n e Ihr Gewerbe.

H.: Das war ein Fehler. Und deshalb sind wir auch im Fall Schnelsen 99 gegen Kleingärten.

D: Frau H., die Kleingärten gehen Sie nichts an.

H: Aber in Niendorf 70 haben wir...

D: Frau H., Schluß jetzt!! Wenn Sie Ihren Frust wegen Niendorf 70 absondern möchten, dann tun Sie das bitte zu Hause. Aber nicht in diesem Arbeitskreis.

F.: Ich melde mich bereits seit 10 Minuten: Ich möchte darauf hinweisen, daß in der Begründung auf Seite 7 im zweiten Absatz statt eines Kommas ein Semikolon einzusetzen wäre. Und das ,ist' sollte besser an das Satzende.

U. (an Forster gewandt): Notieren Sie das.

Fo. (mürrisch): Wozu haben wir eigentlich eine Protokollführerin? (dann an Frau v. A. gewandt) Semikolon einsetzen.

v. A.: Wo?

Fo.: Hab ich auch nicht mitgekriegt. Notieren Sie's trotzdem. Oder rufen Sie F. deswegen nachher noch mal an.

D: Herr K. bitte.

K: Die Finanzbehörde wendet sich entschieden gegen die eben schon erwähnte Kleingartennutzung auf den Liegenschaftsflächen an der AKN.

H: Wir auch.

D: Frau H., es reicht! Ich wiederhole: Die Kleingärten gehen Sie nichts an. Absolut nichts.

E: Die Wirtschaftsbehörde dafür umso mehr. Ich weiß wirklich nicht, wie ich meinem Senator angesichts des Mangels an Gewerbeflächen eine Kleingarten-Ausweisung erklären soll. Wenn diese Nutzung nicht vom Tisch kommt, erklärt die Wirtschaftsbehörde Schnelsen 99 für nicht grobabgestimmt.

D: Herr E., der Plan i s t so abgestimmt. Wenn Sie, wie geschehen, Herrn P. in die Grobabstimmung schicken, dann ist das ihr Problem. Der hat damals zu dieser Nutzung nämlich ausnahmsweise mal geschwiegen.

S.: Leider war der Beauftragte für den Wohnungsbau zu der Grobabstimmung nicht eingeladen worden. Sonst hätten wir....

D: Herr Bi., stimmt das?

Herr Bi.: Muß ich prüfen. Die Einladungen hat damals noch Herr K.-R. verschickt.

S.: Wie dem auch sei. Angesichts des Mangels an Wohnraum in Hamburg kommt nichts anderes als Wohnungsbau in Frage. – Geschoßwohnungsbau.

Be.: Direkt neben den Gleisen? Und was ist mit der fehlenden Erschließung? Oder planen Sie neuerdings auch Schlafzimmer mit Bahnanschluß?

S.: Bei dem eklatanten Defizit an Wohnraum muß es notfalls auch ohne Erschließung gehen. Und der Baubeginn sollte möglichst noch in diesem Monat stattfinden.

H.: Bei Verzicht auf Kleingärten und statt dessen einer GE-Ausweisung bräuchte man keine Erschließung festzusetzen.

D.: F r a u H. !!! - Herr N., bitte.

N.: Das Naturschutzreferat ist mit der Umweltbehörde der Meinung, daß auf den betreffenden Grundstücken unbedingt Ausgleichsflächen für die Eingriffe in Natur und Landschaft festzusetzen sind.

K.: Ausgeschlossen! Ohne die Finanzbehörde! Wir fordern...

S.: ... Wohnungsbau! Geschossig!

Be.: Ohne Erschließung?

N.: ... Ausgleichsflächen!

E: ... Gewerbe!

H.: Ich auch. Jedenfalls k e i n e Kleingärten!

D.: F r a u H.!!!

v. A. (an Fo. gewandt): Was redet der Nawrath denn da? Im Plangespräch hatten wir doch Kleingärten vereinbart.

Fo. (an Urban gewandt): Im Plangespräch hatten wir aber doch Kleingärten vereinbart.

U. (abwinkend): Jetzt nicht!“

D.: Also, ob nun Gewerbe oder Wohnen...

B.: Ohne Erschließung?

D.: ... oder Kleingärten oder Ausgleichsflächen oder gar ein Park-and-Ride-Platz, wie eine Untersuchung des HVV ergeben haben soll, das müssen wir dann noch mal irgendwie klären. – Ansonsten, denke ich, wenn weitere Wortmeldungen nicht mehr vorliegen, kann der Plan so öffentlich ausgelegt werden.

Fo. (an Urban gewandt): Ja wie denn nun?

Urban (abwinkend): Jetzt nicht. Müssen wir gegebenenfalls noch besprechen.

D.: Ja, Herr F., ist noch was?

F.: Auf Seite 9 sollte man nach der 3. Zeile besser einen Absatz statt eines Gedankenstrichs machen. Man könnte sonst annehmen, hier hätte sich irgendjemand etwas dabei gedacht.

v. A. (an F. gewandt):

Wo?

Fo. (flüsternd): Weiß nicht. Das suchen wir nachher. - Können Sie mir übrigens 5 Mark pumpen? Ich habe für die Rückfahrt kein Geld mehr.

U.: Ich habe hier noch aus dem gestrigen Stadtplanungsausschuß zu berichten, daß die SPD und die GAL stimmenmehrheitlich auf einer Art Kommunaltrasse ein weiteres, ganz spezielles Bahngleis parallel zur AKN gefordert haben.

K.: Noch ein Bahngleis? Wofür d a s denn?

U.: Für einen Drogenentzug.

Bi.: Kann mal jemand ein Glas Wasser holen? Herrn D. geht es nicht gut...

Gibt es das? Natürlich nicht, liebeR LeserIn. In dem der taz vorliegenden Protokoll heißt es ausdrücklich, daß es sich bei dem hier Abgedruckten, um ein „fiktives Wortprotokoll eines fiktiven Arbeitskreises I zum fiktiven Bebauungsplan-Entwurf Schnel-sen 99 handelt. Allerdings, so fügt unser Informant handschriftlich hinzu: „die Fiktion ist eigentlich die Realität“.