Schwarze Serie
: Die ewige Kulturstiftung

■ Das Schloßgespenst der Kulturpolitik findet keine Ruhe

Zu den grausligsten Erscheinungen unseres gesamten Kulturlebens gehört das Gerede von der sog. „Kulturstiftung“. Es geschieht meist anfallartig. Ernsthafte Persönlichkeiten kennen plötzlich keine Angst mehr vor der Lachhaftigkeit, sie erheben sich und sagen öffentlich, daß doch im Grunde sehr gute Chancen für eine Kulturstiftung bestünden. Ein bißchen zahlt der Staat, nicht wahr, ein anderes bißchen zahlen gute reiche Leute, und schon hat die Not ein Ende. Dann setzen sie sich wieder hin und haben gottlob alles vergessen. Es folgen ein paar Monate des Friedens, und dann befällt es die nächsten.

Seit Jahr und Tag geht das jetzt so dahin. Erst hörte man das Wort in den Reihen der FDP, dann trat der ehemalige Kultursenator Scherf mit einer „Kulturstiftung“ auf den Plan, zu der es nie kam, dann folgte ihm Helga Trüpel zögerlich in die Verblendung, weswegen inzwischen zwei Büroräume in der Städtischen Galerie für die Stiftung reserviert sind, zu der es nie kommen wird, und am heutigen Tag ist es soweit, daß die vereinigten drei Koalitionsfraktionen mit einem vollends wolkenförmigen Antrag vor die Bürgerschaft treten: das Hohe Haus möge den Belangen einer Kulturstiftung sein Wohlwollen leihen oder so ähnlich.

Leute, die keine Ideen mehr haben, haben dann diese: Die Idee der Kulturstiftung besteht ja in nichts anderem, als daß der Staat abends seine Schuhe vor die Tür stellt, und am nächsten Morgen ist ein Haufen Geld drin. So dumm macht die Not, und obendrein so gemein: Man soll nicht auch noch seinen Spott treiben mit einer Kultur, die man mit ehrlichem Geld nicht mehr bezahlen kann.

Stiftungen funktionieren nur da, wo man sie gar nicht nötig hätte. In einem gedeihlichen Gemeinwesen fließt ihnen das Surplus der Gönnerhaftigkeit zu. Die Stiftung ist die große Geste, mit der man einen Namen bedeutsam macht oder sonst einen Eigennutz verfolgt, vorausgesetzt, das Geld weiß sowieso nicht mehr recht, wohin, und der Normalbetrieb ist schon bezahlt.

Kein Mensch versenkt dagegen seine Piepen in einer Stiftung, die armen KunststudentInnen Granitsteine für die Meißelprüfung kauft, sobald der Staat diesbezüglich schlappmacht. Eben das hat aber die Kulturspezialistin der rädelsführenden FDP, Annelene von Schönfeldt, als Beispiel genannt. Den „akuten Notfällen des Kulturlebens“ solle diese Stiftung Linderung bringen, und ganze 500.000 Mark, die aber auch nicht da sind, sollten als „Anschubfinanzierung“ genügen.

Da kann einer, der es wissen muß, nur lachen: „Zwei Millionen wären absolute Unterkante“, sagt Benedikt Stamper von der „Hamburgischen Kulturstiftung“. Er hat doppelt soviel, und es reicht immer noch nicht: Im Jahre 1988 wurde die Stiftung gegründet; der Staat zahlte zweieinhalb Millionen ein, dann erhöhte er auf viereinhalb, und die privaten Gelder kamen immer noch nicht. „Das hat nicht so funktioniert, wie man sich das erträumt hatte“, sagt Silvia Menze von der Stiftung, „und in letzter Zeit schon fast gar nicht mehr“.

Manfred Dworschak