Oft hilft es schon, über die Diskriminierung zu sprechen

■ „Jacaranda“: Frauen-Selbsthilfe gegen die Verletzung der Menschenwürde

Daß ihr Nachbar Menschen mit dunkler Hautfarbe nicht mochte, hatte Sheila B. schon lange vermutet. Erst nach dem Mauerfall wagte es der Mann, der sich bis dahin nur „komisch benommen“ hatte, aber, seine Ablehnung offen zu zeigen: Als die Immigrantin an ihm vorbeiging, hielt er sich die Nase zu und sagte laut und vernehmlich: „Es stinkt.“

Mit solchen Verletzungen ihrer Menschenwürde müssen in Berlin lebende Immigrantinnen, im Exil lebende Frauen und schwarze Deutsche seit einiger Zeit nicht mehr allein fertig werden. Bei „Jacaranda“, dem ersten Berliner Selbsthilfeprojekt, in dem ausschließlich selbst betroffene Frauen arbeiten, finden sie eine Beraterin, die ihre Probleme aus eigener Erfahrung kennt.

Nicht immer ist es die offene Diskriminierung, die den Klientinnen von „Jacaranda“ am meisten zu schaffen macht: Da ist zum Beispiel eine Wissenschaftlerin aus dem arabischen Raum, die die Arbeit in einem Frauenprojekt als „Horror“ empfand. Das ständige Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, bedrückte sie so sehr, daß sie Depressionen bekam. Oder die Sekretärin aus einem südeuropäischen Land, die zur Büroleiterin aufgestiegen war. Eine Ausländerin als Vorgesetzte schien das Selbstbewußtsein ihrer deutschen Kolleginnen jedoch schwer zu tangieren. Sie reagierten mit Sticheleien und Anfeindungen, bis die Frau das vergiftete Arbeitsklima kaum noch ertrug.

In solchen Fällen von verstecktem Rassismus raten die Mitarbeiterinnen von „Jacaranda“, die erlebte Diskriminierung offen anzusprechen. Häufig hilft es auch schon, wenn die Frauen hören, daß andere ähnliche Erfahrungen machen: „Wenn eine von uns so etwas erlebt und die andere erzählt: Das hab' ich auch erlebt, merken sie, daß sie nicht alleine sind“, sagt Akram, die die Probleme ihrer Klientinnen aus nun zweijähriger Beraterinnentätigkeit kennt.

Die iranische Soziologin ist eine von neun Mitarbeiterinnen unterschiedlicher Nationalität und Qualifikation, die bis auf die deutsche Computerfachfrau bislang alle ehrenamtlich arbeiten. Hervorgegangen ist das Projekt, das seinen Namen einem afrikanischen Baum, unter dem sich die Frauen versammeln, verdankt, aus einem Immigrantinnenarbeitskreis zur psychosozialen Versorgung. Die Sozialwissenschaftlerin May Ayim hatte in einer Untersuchung nachgewiesen, daß die psychischen Probleme von schwarzen Frauen in Deutschland häufig das Ergebnis von Ausgrenzung sind und daß für diesen Personenkreis so gut wie keine adäquaten Therapiemöglichkeiten existieren.

Seit die Initiative 1991 die Räume in der Kreuzberger Großbeerenstraße bezog, finden dort fast täglich Beratungen statt. Neben Diskriminierungserfahrungen sind es Ehe- und Beziehungsprobleme, Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit und Isolation, psychosomatische Beschwerden wie Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen, mit denen die Frauen in die Beratung kommen. Auch Generationenkonflikte in Immigrantinnenfamilien sind ein häufiges Thema. Bei Verdacht auf sexuellen Mißbrauch wird eine spezielle Beratung angeboten.

Manchmal genügt schon ein einmaliges Gespräch mit einer Beraterin, die die gleiche Sprache spricht, um auf den Kern eines Problems zu kommen. Das war zum Beispiel bei einer Klientin der Fall, die eine Odyssee durch deutsche Arztpraxen hinter sich hatte, ohne je die Ursache ihrer Beschwerden zu erfahren. Ihre quälenden körperlichen Symptome hatten sich schließlich als typische Wechseljahresbeschwerden entpuppt. In anderen Fällen sind die „Jacaranda“-Mitarbeiterinnen allerdings machtlos. Das gilt vor allem bei Frauen aus der Türkei, deren Aufenthaltsrecht an das ihrer Männer gekoppelt ist. Hier können sie der Frau oft nur raten, sich so gut es geht mit der Situation zu arrangieren und selbst in demütigenden Beziehungssituationen so lange auszuharren, bis sie ein eigenes Aufenthaltsrecht besitzen.

Trotz mehrerer Finanzierungsanträge bei verschiedenen Senatsverwaltungen wird die Beratungsarbeit bislang nicht bezahlt – die „Jacaranda“-Mitarbeiterinnen vermuten, daß ein Ausländerinnen-Projekt, das ohne deutsche Leitung auskommt, den Behörden nicht geheuer ist. Nur für die Gruppenarbeit erhalten sie ein dürftiges Honorar von 600 Mark im Monat. Dafür werden verschiedene Gesprächskreise angeboten. Auch Vorträge zu Themen wie „Aids und Rassismus“, „Rassismus und Sexismus anhand des sexuellen Mißbrauchs“ oder „Feministische Sozialarbeit mit Immigrantinnen“ finden statt. Besonders wichtig ist den Mitarbeiterinnen der kostenlose Computerkurs, der eine erste Qualifizierung für den Arbeitsmarkt vermitteln soll. Denn oft wirkt eine veränderte Lebensperspektive Wunder.

Das war zum Beispiel auch bei einer Ceylonesin der Fall, die isoliert und arbeitslos zu Hause saß und über ständige Schmerzen klagte. Unzählige Untersuchungen, auch eine Computertomographie, ergaben keinen körperlichen Befund. Schließlich vermittelten sie die „Jacaranda“-Mitarbeiterin in eine Berufsqualifizierungsmaßnahme in einem anderen Ausländerinnenprojekt. Als sie nach ein paar Wochen wieder in die Beratung kam, waren die Schmerzen weg. „Es ist diese Hoffnung“, sagt Akram. „Wir denken, daß die Frauen etwas brauchen, was ihnen Hoffnung macht.“ Dagmar Schediwy