Mit Schloß und Rost

■ Fahrradversteigerung im Fundbüro: Nicht jedeR kehrt glücklich heim Von Martina Parge

Rund zweihundert Fahrradsuchende recken ihre Hälse zum Podest, auf dem Herr Schröder das nächste Fahrrad präsentiert. Blitzschnell gilt es zu entscheiden: Wieviel bin ich bereit zu zahlen? „Achtzig... fünfundachtzig... zum erst..neunzig...zum ersten-zum annern-zum dritten“ - das rote, leicht rostige geht für neunzig Mark weg.

Auf dem Hof des Fundbüros im Bäckerbreitergang 38 werden einmal im Monat Mittwoch morgens die besitzerlosen Fahrräder Hamburgs versteigert. Etwa hundertsechzig Drahtesel gehen jedesmal über den Tisch. Polizei und Private liefern sie beim Fundbüro ab: Räder, die schon seit Wochen - trotz mehrmaligen Aufrufs zur Entfernung - das Treppenhaus blockieren; die bei Aufräumaktionen auf öffentlichen Plätzen sichergestellt werden; Räder, die am Straßenrand verrotten.

Verwunderlich: Nur selten ist ein echter Rostesel dabei, die meisten Bikes sind noch ziemlich flott. Einer hat sogar 540 Mark gezahlt. Für ein nagelneues Damenrennrad. Das war allerdings letztes Jahr, gedacht war es für die Freundin des Sohnes. Doch die hat Schluß gemacht, und dann war das eben nichts mit dem Fahrrad. Nun versucht er, es zum gleichen Preis am Rand der Versteigerung wieder loszuwerden. Er geht keinen Pfennig runter. Probefahrt? Ist nicht.

Überhaupt: Geschenkt bekommt man hier nichts. Gut erhaltene Räder haben auch hier ihren Preis. Weit über zweihundert Mark, wenn nur wenig Rost zu sehen ist. Ob's ein Schnäppchen war, merkt man erst nach dem Kauf. Vorher dürfen die Räder nicht unter die Lupe genommen werden. Man muß schon früh kommen, um möglichst weit vorne zu stehen und außerdem ein gutes Auge haben.

Doch das trügt mitunter, besonders aus acht Meter Entfernung. Eine Dame dreht mit ihrem Neuerwerb traurig ihre Runden auf dem Hof - schiebend. Die erste Fahrt bleibt ihr verwehrt. - Woher soll sie denn bitteschön wissen, daß die die Räder auch abgeschlossen verkaufen. - Irgendwann erbarmt sich ihrer die Besitzerin eines Bolzenschneiders, doch noch immer wird es nichts mit dem Fahren: Die Kette sitzt nicht da, wo sie sollte. Die Dame flucht.

Ohne etwas handwerkliches Geschick wird der Kauf leicht zum Flop. Die Räder werden von den MitarbeiterInnen des Fundbüros nur grob durchgecheckt, nur größere Mängel werden vom Auktionator angesagt. Besonders arg trifft es den, der das neonbunte Mountainbike ersteigert hat: Das Vorderrad baumelt am Rahmen, befestigt ist es mit einem dieser superstabilen Bügelschlösser, die sogar die Versicherung akzeptiert. Das war nicht dazugesagt worden. Nun hilft nur der Gang zum Schweißer.

Ich gehe zum nächsten Zeitschriftenhändler und kaufe ein Blatt mit privaten Kleinanzeigen - für Fahrräder.

Die nächsten Termine: 23. März, 20. April, 25. Mai im Fundbüro, Bäckerbreitergang 38.