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Unter dem Dach der Leselust

■ Ariadne-Krimis: Bausteine aus guter Unterhaltung für eine feministische Kultur

Kriminelle Energie gehört zu Else Laudans Job, aber deswegen hat sie bisher noch keine Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen. Die 30jährige Kettenraucherin ist Lektorin der Ariadne-Krimis, der feministischen Krimi-Reihe im Argument-Verlag. Über 50 Frauenkrimis sind seit 1988 erschienen, und große Verlage wie Fischer und Diogenes haben die Idee inzwischen kopiert.

Aber was bitte ist ein Frauenkrimi? „Viele unserer Autorinnen überschreiten das Genre“, sagt Else Laudan, „sie benutzen es, um etwas anderes damit zu machen. Andere halten sich streng an das Genre, bauen es aber in lesbisch-weiblicher Sicht aus, indem sie toughe Detektivinnen und Kommissarinnen kreieren“. Der Abschied von den männlichen Helden gefällt sogar Kerlen gut, die die alten Klischees überhaben, wie Laudan aus Briefen weiß. Männer gehören natürlich auch in die Ariadne-Krimis und dürfen schon mal Assistent sein. Die Fäden aber haben - wie die Namensgeberin aus der griechischen Mythologie - die Frauen in der Hand.

Zum Beispiel Katherine V. Forrest, deren frauenliebende Heldin, die Kommissarin Kate Delafield, packende Fälle zu lösen hat, die stets auch Bezug zu homosexuellen Lebenswelten haben. Oder die Norwegerin Kim Smage, die Else Laudan besonders mag: „Eine ganz zornige Frau, die ständig darauf blickt, wie vielschichtig Frauen in der Gesellschaft auf physischer, psychischer und sozialer Ebene der Gewalt ausgesetzt sind“. Oder die radikal-subjektive Berliner Autorin Gabriele Gelien, die ihrer Heldin den eigenen Namen gab und auch das übrige Personal dem richtigen Leben entnimmt. „Da mußten wir von den ganzen Leuten, die da vorkommen, erstmal Einverständniserklärungen holen, damit wir das Buch machen konnten.“ Auch das gehört zu ihrem, praktisch selbst geschaffenen Job.

Als Mitarbeiterin der autonomen Frauenredaktion des Argument-Verlags hatte sie vor sechs Jahren begonnen. Den Verlag, 1959 von dem Philosophen Wolfgang Fritz Haug und der Soziologin Frigga Haug zunächst als Zeitungsverlag gegründet, nennt Laudan ein „Sammelsurium von Projekten“, das natürlich nur als Non-Profit-Unternehmen funktioniert. Die meisten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schreiben ehrenamtlich für den Verlag. Die Frauenredaktion war bis 1987 ausschließlich für die feministische Theorie in der Zeitschrift Das Argument und eigene Veröffentlichungen zuständig. Bis Frigga Haug eines Tages aus England Krimis von Frauen zur Besprechung zugeschickt bekam. Die Idee zur Ariadne-Reihe war geboren und eine kleine Erfolgsstory nahm ihren Lauf.

Bald fehlte es an Übersetzerinnen für die „hard boiled whodunnits dieser modernen Lesbenautorinnen“, und da Laudan nicht nur fließend englisch spricht, sondern schon immer „wahnsinnig gerne mit Sprache umging“, übersetzte sie ihren ersten Krimi und stellte fest, „daß mir das mehr Spaß gemacht hat, als alles, was ich vorher gemacht habe“. Als mit dem Erfolg der organisatorische Aufwand wuchs, übernahm sie die Verantwortung für die Reihe mit „null Erfahrung“. Mittlerweile hat sie sich allerdings einige Kompetenz erworben und damit stiegen auch ihre Ansprüche. Inzwischen gibt es zweieinhalb Stellen für die Reihe.

Schließlich gilt es auch jede Menge Post von Leserinnen zu bewältigen, die anfänglich in den Nachworten der Krimis zur Kritik aufgefordert wurden. Dieses Angebot eröffnete einen engen Dialog des Verlags mit den Konsumentinnen, die sich einmischen oder auch auf interessante Autorinnen aufmerksam machen. Die Kommunikation hat sich so vertieft, daß nun einmal im Jahr die Zeitschrift Ariadne-Forum mit den gesammelten Leserinnen-Meinungen, Artikeln und Rezensionen erscheint. Die innigen Leserinnenreaktionen machen deutlich, daß es um mehr als Kriminalromane geht. „Unsere Metapher ist die des Hauses“, erläutert Laudan, „wir sprechen von Bausteinen einer feministischen Kultur, insofern ist es ein Haus mit vielen Zimmern. Nicht jede möchte jedes Zimmer bewohnen, aber jede kann ein Zimmer finden, in dem sie sich wohlfühlt.“ Ein „Dach aus Leselust“ kombiniert mit einem Bedürfnis nach authentischen Identifikationsfiguren und schöner Literatur.

Der kleine Werbeetat kann mit der großen Glaubwürdigkeit des Krimi-Projektes ausgeglichen werden. Mit bisher über 700.000 verkauften Krimis sind die Aussichten für die Zukunft trotz allgemeiner Verlagskrisenstimmung gut. Die Einnahmen werden für weitere Vorhaben im Bereich feministischer Kultur genutzt. So konnte 1992 die „Edition Ariadne“ gestartet werden, eine Belletristik-Reihe für anspruchsvolle Frauenliteratur - ohne Morde. Das Haus wächst.

Julia Kossmann

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