Die Begegnung des Touristen mit dem Volk

9. Studienreisegespräche auf der Internationalen Tourismusbörse zum Thema „Fördern Auslandsreisen die Völkerverständigung?“ oder „Schadet Rassismus dem Image der Reisebranche?“  ■ Von Mechthild Maurer

Eindeutig bejahen könne er die Frage, ob Auslandsreisen die Völkerverständigung fördern, verkündigte Otto Deppe. Der Moderator vom ARD-„Reisemagazin“ bemängelte anläßlich der Eröffnung des Podiumsgespräches, bei dem die Studie zu Ausländerfeindlichkeit und Tourismus von der Willy- Scharnow-Stiftung vorgestellt wurde, daß sich die Wissenschaft bisher nur zu einem Jein durchgerungen habe.

Zuspitzen ließe sich, so Thomas Bausch, Mitverfasser der Studie und ehemaliger Geschäftsführer des Studienkreises für Tourismus in Starnberg, die Problematik auf die Fragen, ob Reisen zu Offenheit führe und daher Fremdenfeindlichkeit bei den Reisenden abbaue oder ob die Offenheit als Ergebnis der individuellen Sozialisation zu sehen sei und sich dies in vermehrtem Reisen niederschlage. Analog zu „Henne und Ei“ könne er nicht sagen, was zuerst gewirkt habe. Doch der Tourismus sei besonders gut geeignet, Ausländerfeindlichkeit abzubauen, da er an Orten stattfinde, wo die Reisenden auf Ausländer treffen und dies zudem außerhalb des Alltags geschehe.

Als Teil der Reiseanalyse waren Einstellungen gegenüber Ausländern und Reiseerfahrungen erfragt worden. Die Einstellung zu Ausländern wurde korreliert mit sozialgeographischen Faktoren und dem Alter. Als maßgeblich sehen die Verfasser die Schulbildung an. Gleichzeitig erkennen sie in den regelmäßig und auslandserfahrenen Reisenden „eher positiv gegenüber Ausländern eingestellte Personen“. Dabei wurde nicht ausgewertet, wohin die Auslandsreisen gehen.

Die TouristInnen, die „reserviert“ oder „radikal“ gegenüber Ausländern eingestellt sind, wollten im Urlaub nicht auf ihren gewohnten Komfort verzichten. Dagegen suchen rund 20 Prozent der Deutschen, die den Ausländern freundlich gesonnen sind, auch im Urlaub eher den Kontakt mit Einheimischen.

Warum die Anwesenheit von Fremden wichtig für den Abbau von Fremdenfeindlichkeit ist, obwohl rassistische Einstellungen und Verhalten unabhängig vom Zusammentreffen mit Fremden geformt und eingeübt werden, blieb unbeantwortet. Rassismus ist ein viel zu subtiles Thema, als daß es mit direkten Fragemethoden, mit Marktforschungsinstrumenten erfaßt werden kann. Die Journalistin Ludmilla Tüting verwies darauf, daß Fremdenfeindlichkeit sich nicht nur durch Gewalt gegenüber Ausländern zeige, sondern in vielen alltäglichen Verhaltensweisen wirksam werde. Die Begegnung zwischen Reisenden und Gastgebern seien nicht geeignet Vorurteile abzubauen, sondern verstärken diese häufig sogar.Die industrielle Form des Reisens reproduziert Klischees.

Außer acht blieb auch der Rassismus durch Reisen bei den TouristikerInnen selbst. Dabei sind die rassistischen Sprüche der Tourismusfachleute am Abend in den Bars der Touristenorte unüberhörbar. Wieder einmal eine Studie, die weder gesellschaftswissenschaftliche interdisziplinäre Ansätze noch die gegenwärtige Rassismusforschung wahrnimmt. Barbara John, Ausländerbeauftragte der Stadt Berlin, erntete Kopfschütteln für ihren Vorschlag, das Bild des Vielreisenden positiv zu verstärken. Es müsse darum gehen, dem Touristen ein Image eines Entdeckers zu verschaffen. Vorstellbar wäre ein Button mit dem Aufdruck „Ich bin ein Tourist!“

Doch Yussuf Örmek, Präsident von AKSET, einer jüngst in Antalya gegründeten privatrechtlichen Stiftung, die sich schwerpunktmäßig mit den Wechselbeziehungen zwischen Kultur und Tourismus auseinandersetzt, sieht nirgends Anzeichen, daß die Reiseindustrie wirklich bereit ist, etwas für Völkerverständigung zu unternehmen. Immer dann wird die Völkerverständigung ausgegraben, wenn die einheimische Tourismusindustrie einen Rückgang des Reiseverkehrs nach Deutschland befürchtet. Hier offenbart sich der eigentliche Zweck der Untersuchung: das Image der Tourismusbranche zu verbessern.

Da die Fremdenfeindlichkeit entscheidend für die weitere Tourismusentwicklung sei, müsse die Tourismusbranche handeln. Thomas Bausch listete eine Reihe von Handlungsempfehlungen auf: Zum einen schlug er „solidaritätsbezogene Maßnahmen“ gegen Fremdenfeindlichkeit vor. Dahinter verstecken sich imagefördernde Aktionen wie Anzeigenkampagnen, Buttons oder Plakataktionen. Zum anderen empfahl er pädagogisch-didaktische Maßnahmen. Konkret schlug der Referent Videoclips, Anti-Gewalt-Songs oder auch ein Animationsprogramm „Fremdes entdecken“ vor. Gerade wegen seiner spezifischen Struktur biete sich der Tourismus für Solidaritätsmaßnahmen im Umfeld an. Eine Diskussionsteilnehmerin forderte anstelle solcher Plattheiten eine Prüfstelle zur freiwilligen Selbstkontrolle u.a. für Anzeigen, Kataloge der Tourismusunternehmen als einen richtungweisenden Schritt. Auch Yussuf Örmek sprach sich für konkrete Modelle und eine weitaus differenzierte Betrachtungsweise aus. Eine Veranstaltung, die einmal mehr den langen Weg verdeutlicht. Den Weg bis zur Erkenntnis, daß der Tourist nicht dem Volk, sondern einem, zwei oder vielen Menschen begegnet.