Militante Kurden-Proteste vor dem Neujahrsfest

■ Deutsche Delegation in Kurdistan gestoppt

Berlin/Istanbul (taz/AFP) – Heute wird in Kurdistan Newroz, das neue Jahr, gefeiert. Um zu verhindern, daß das Fest wieder zu Manifestationen für die Unabhängigkeit Kurdistans genutzt wird, hat die türkische Regierung rund 150.000 Soldaten und Polizisten zusätzlich in den unruhigen Osten entsandt. Gestern wurden mehrere Delegationen von Menschenrechtsaktivisten aus Deutschland und der Schweiz, die durch ihre Präsenz Übergriffe des türkischen Militärs erschweren und die Kommunalwahlen vom nächsten Wochenende beobachten wollten, bei der Anreise festgenommen und nach Istanbul zurückgeschickt. Eine Gruppe von 52 Deutschen und vier Türken wurden auf dem Flughafen der Provinzhauptstadt Van von türkischen Sicherheitskräften fünf Stunden lang festgehalten und zum Teil geschlagen.

Schon am Samstag war es in Deutschland an mehreren Orten zu Zusammenstößen zwischen kurdischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Dabei wurden am Samstag in Berlin und Augsburg insgesamt mindestens 85 Polizeibeamte, vier Kurden und zwei Feuerwehrleute zum Teil schwer verletzt. Auf der Autobahn A8 bei der Anschlußstelle Adelsried legten mehr als 500 Kurden den Verkehr in beiden Richtungen lahm, um damit unter anderem gegen das Verbot einer Newroz-Feier in der Augsburger Innenstadt zu protestieren. Sie zündeten Autoreifen an, stellten mehr als zehn Reisebusse und Personenwagen quer. Bei Auseinandersetzungen wurden 47 Polizisten verletzt, drei von ihnen schwer. Genaue Angaben über die Zahl verletzter Demonstranten lagen nicht vor, die Polizei sprach von zwei Verletzten. In der Innenstadt enstand ein Sachschaden von mehreren 100.000 Mark. 17 Teilnehmer wurden festgenommen. Die Staatsanwaltschaft beantragte gegen sie Haftbefehl wegen schweren Landfriedensbruchs. Die Polizei beschlagnahmte zudem drei Molotowcocktails sowie T-Shirts und Fahnen mit dem Aufdruck der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

In Berlin versammelten sich über tausend Kurden vor der Technischen Universität. Als eine kleine Gruppe von Demonstranten die Fahne einer verbotenen PKK-Untergruppe hissen wollte, begannen die handgreiflichen Auseinandersetzungen. Die Polizei ging mit Schlagstöcken gegen die Kurden vor, die wiederum mit Steinen und Molotowcocktails warfen. 38 Beamte meldeten sich verletzt, fünf davon mußten im Krankenhaus behandelt werden. Zwei Demonstranten erlitten Brandverletzungen. Sieben Personen wurden festgenommen. Die Demonstration ging am Abend ohne weitere Zwischenfälle mit einer Kundgebung zu Ende. Tagesthema Seite 3