Aus dem Shakespearezentralnebel

■ Wo sich Kunst und Theater Guten Tag sagen: „Shakespeare Pictures“ in der Städtischen Galerie

Aberdutzende von Bildern, Bildchen, Dias, Objekten nach, mit, über, wegen, gegen Shakespeare: Da geht's immer ein bißchen festlicher zu als bei anderen Leuten. Wir sehen's wieder einmal mit Vergnügen in der Städtischen Galerie, wo jetzt shakespearehaltige Werke von 21 Künstlern und Künstlerinnen aus dem Umkreis unsrer Kunsthochschule hängen, stehen, schweben: Zwei Säle voll von schönen Einfällen, übermütigen Witzchen und strebsamen Skizzen, alles lebhaft und geradezu anschaulich geraten. Ja freilich, vor diesem Großen will sich niemand lumpen lassen, und fern ist deshalb aller Griesgram der Konzepte.

Seit neun Jahren arbeiten immer wieder neue Studenten am ewigen Thema, sitzen mit Wasserfarben und Stiften auf den Proben der „shakespeare company“ herum, oft lange Wochen Tag für Tag, und genießen den ungewöhnlichen Umstand, daß die Company nicht nur gastfrei ist, sondern auch bei ihrem Theater immer das Licht anläßt.

Hinter dem Projekt steckt rädelsführend der Professor Peter W. Schaefer, der gut und gerne nochmal neun Jahre derart weitermachen könnte. „So kommen die mal raus aus diesem akademischen Betrieb“, sagt er, und den Arbeiten zufolge, die nun zum Jubelfestival der Company zu sehen sind, tut ihnen das gut.

Nur machen die Bilder, die sich direkt auf das Bühnengeschehen beziehen, einen deutlich schwächeren Eindruck. Nach Aufführungen geordnet, füllen sie den einen Saal der Galerie, und ganz offenkundig regiert in ihnen noch das heiße Bemüh'n um die Theatergestalten und ihre Gestik. Es ist nicht uninteressant, wie sie sich mal so, mal anders herausarbeiten aus ihrer Flüchtigkeit, aber es wiederholt sich, und zu einem Gesicht hat es keine mehr gebracht. Gesichter gibt es nicht, und man kann immerhin lernen, daß das Bedürfnis danach ab dem hundertsten Bild geradezu quälend sein kann.

Aber auch hier findet man eigenartige Blicke auf das Shakespearegeschehen, zum Beispiel Monika Meinolds explosive Tusche-Szenarien, denen sich das Gefetze des Bühnenlebens unmittelbar mitgeteilt hat, oder Schaefers windschiefe Gewalttätereien zum Thema Macbeth, die von einer theatergerechten Schauerlichkeit durchwalkt sind.

Wirklich liebreich aber lacht uns der Geist Shakespeares in der restlichen Galerie, wo man so sehr viel mit ihm gar nicht zu tun haben will. Da folgen dann alle der Einsicht, daß am Ende immer alles von Shakespeare ist, und wir sehen bösartige Spielzeugwägelchen und nägelstarrende Bürsten von Thomas Rissler oder Helga von Häfens kleine Gouachen, 140 an der Zahl, drauf abgebildet allerlei Samenkapseln, Pantoffeltierchen, Flagellatae und Winzwesen aus der Familie der Seepferdchenartigen, welche vielleicht allesamt das kreatürliche Plankton ausmachen, von dem sich die höheren Shakespearegeschöpfe herleiten.

Wir sehen auch, wie es weiterging, nämlich eine Diashow von Martin Wrede, wo er vielerlei Szenenfotos aus der Company und andererseits Fotos und Dokumente des aktuellen Welttheaters übereinanderprojiziert, und alles wackelt sehr ironisch, wie es sein muß, weil die hängenden Projektoren immerzu sachte hin und her schwingen. Oder nehmen wir die alten Shakespearebücher, die Isabel Valecka in Fell, Stoff und Dachpappe verkleidet hat. Oder den süßen kleinen Holzkrieger von Eberhard Szejstecki, wie er mit einer lachhaften Riesenlanze des Weges in eine Shakespeareschlacht zieht, oder dies oder das.

Man wird nicht so schnell fertig mit diesem Sammelsurium, so wie man sich auch in den Weiten des Shakespeareuniversums gerne mal verläuft. Hier in der Städtischen Galerie erhascht man geradezu einen Blick auf dessen Zentralnebel, und natürlich herrscht da das liederlichste Durcheinander.

Hilfreich ist jedenfalls der schöne Katalog; die unbeugsamen Buchgestalter der Hochschule haben diesmal einen Doppel-Leporello ausgeheckt. Und zudem gibt es für lumpige fünf Mark ein Postkartenbuch mit Abbildungen der Großgemälde, welche die Studis nebenbei noch an die Außenwände der Company am Leibnizplatz gemalt haben. Und jedes Bild ist doppelt, „damit man es behält, wenn man es verschickt.“

Manfred Dworschak

bis zum 10. 4. in der Städtischen Galerie, Buntentorsteinweg 112