Ritter in Nadelstreifen

■ "Soldaten Gottes" mit ultrarechter Gesinnung: "Das Geheimnis der Gragesritter", 20.15 Uhr, ARD

Es begab sich vergangenes Jahr im Dom zu Köln, daß abenteuerlich gewandete Erwachsene in weißen, mit fünf blutroten Kreuzen verzierten Kutten sich zu einem seltsamen Zeremoniell zusammenfanden. Doch was Touristen womöglich für einen unzeitgemäßen Karnevalsumzug halten mochten, war ein höchst weihevolles Ritual, und mit Volksbelustigung hatten die gesetzten Herren nun gar nichts im Sinn. Schließlich handelte es sich bei dem mittelalterlich anmutenden Getriebe um die Investitur genannte Zusammenkunft der deutschen „Ritter vom Heiligen Grabe zu Jerusalem“.

Und auch diesmal wurden wieder ein paar Beitrittswillige zum Ritter geschlagen. Rüstung, Pferd und Schwert, mit denen die Gründer des Ordens im 13. Jahrhundert in Jerusalem die christliche Stätte gegen die „Gottlosen“ verteidigten, brauchten die Novizen freilich nicht mehr vorzuweisen. Unter der Kutte trägt der moderne „Soldat Gottes“ bevorzugt Nadelstreifen, aber eine höchst schlagkräftige Truppe sind diese edlen Rittersleut auch heute noch. Zu diesem Ergebnis kommen zumindest Egmont R. Koch und Oliver Schröm, die sich in ihrer Reportage auf die Spuren des obskuren Ordens begeben haben.

Sie treffen dabei auf höchst leutselige geistliche und weltliche Mitglieder, die viel von Edelmut und Eliten zur Rettung des deutschen Volkes reden, sich aber hinsichtlich der geheimbündlerischen Aktivitäten ihres Vereins in Schweigen hüllen. Und diese Aktivitäten der „Soldaten Gottes“, so Koch und Schröm, sind weniger vom christlichen Leitbild der Nächstenliebe, sondern nach wie vor von einer ultrarechten Gesinnung geprägt. Schließlich finden, resp. fanden sich in der Mitgliedskartei der Grabesritter nicht nur potente Banker und Unternehmer wie Hermann Josef Abs und C&A- Gründer Brenningmeier, sondern auch ehrenwerte Politiker vom Schlage eines Filbinger und Max „Amigo“ Streibl.

So wie sich die Grabesritter nach dem Zweiten Weltkrieg in der „Stillen Hilfe“ engagierten (jenem Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Nazis nach Kriegsende außer Landes zu schleusen, um sie der Verfolgung zu entziehen), gehört Antisemitismus offenbar noch heute zu den Grundfesten der Grabesritter. Da spricht ein Bischof und Ordensfunktionär unumwunden von Israel als einem „falschen politischen System“, um dann allderdings erschreckt zu fragen: „Haben Sie das etwa aufgenommen?“ (So bedeutsam, daß er auf Löschung des Bandes bestanden hätte, fand er seine Aussage dann allerdings auch wieder nicht.)

Andere Ordenssektionen wie die US-amerikanische und vor allem die italienische stehen der deutschen in Sachen stramm rechter Gesinnung und dubioser Geschäfte in nichts nach. So stießen Koch und Schröm in Mailand, Rom und Palermo auf enge Verbindungen zur Cosa Nostra, jener Loge, zu der auch Grabesritter und Ex-Ministerpräsident Giulio Andreotti besonders gute Kontakte gepflegt haben soll.

Auch im Prozeß um den mysteriösen Zusammenbruch der Mailänder Banco Ambrosiano und deren Verbindungen zur Vatikan- Bank stießen die Ermittler immer wieder auf die Aktivitäten der Grabesritter. Selbst wenn mehrere italienische Ordensbrüder wegen höchst weltlicher Vergehen in U- Haft sitzen, die Legitimation beziehen die Grabesritter noch immer aus höheren Gefilden: „Deus lo vult“ („Gott will es“), heißt der Leitspruch des Ordens. Und der alte Herr hat bislang noch nicht widersprochen. Reinhard Lüke