Nachwuchs eben

Ein Buch über die letzte Generation der Defa, von Petra Tschörtner bis Thomas Heise, geschrieben von einem, der dabeigewesen ist  ■ Von Friederike Freier

Wir sind jung, hieß es vom ganzen Land, bis es unterging: Es ist bekannt, daß die DDR der Staat der Berufsjugendlichen war. Ganz viel Nachwuchs gab es – das hieß bei Künsten, die politische Aussagen hätten transportieren können, daß die Betreffenden unabhängig von Talent und Leistung noch ungeprüfte Kantonisten waren.

Um Nachwuchsregisseure geht es in einem Buch der Stiftung deutsche Kinemathek. „Defa nova – nach wie vor?“ heißt es, herausgegeben von Dietmar Hochmuth, der unter gleichem Titel im vergangenen Jahr schon eine Reihe mit Filmen jüngerer Defa-Regisseure zusammengestellt hatte. „Jüngere Regisseure“ heißt, daß die meisten von ihnen um die vierzig Jahre alt waren, als die DDR verschwand: Nachwuchs eben.

In jedem Jahr, später aller zwei Jahre, wurde eine Handvoll Auserwählter zum Regiestudium an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen zugelassen. Theoretisch konnten die StudentInnen am Ende ihrer Karriere zu festangestellten RegisseurInnen bei der Defa werden, der einzigen Produktionsfirma im Lande. Vorausgesetzt, daß sie fünf Jahre Studium mit Diplom abschlossen und nach dem Diplomfilm innerhalb von fünf Jahren drei weitere Filme realisierten.

Das waren Loyalitätsprüfungen, getarnt als „Regiedebüt I, II und III“. Dazu muß gesagt werden, daß die Defa jährlich weniger als zwanzig Kinofilme produzierte und mehr als dreißig Regisseure angestellt hatte... – das Ganze ist a priori grotesk.

Dietmar Hochmuth, ausgebildeter Regisseur, der vorwiegend als Übersetzer und Publizist arbeitet, umreißt diese Situation im Vorwort seines Buches, in dem er dreizehn Fallbeispiele aneinanderreiht: Jörg Foth, Herwig Kipping, Petra Tschörtner, Thomas Heise, Andreas Dresen, um nur einige zu nennen. Auch über sich selbst berichtet Hochmuth, was überhaupt nicht peinlich ausfällt, obwohl es so klingt. Hochmuth gehörte nicht zu den hiesigen Filmhochschulabsolventen, er studierte in Moskau und kam als Outcast zurück. Er hat unter anderem seine Auseinandersetzung mit dem Kameramann Thomas Knauf abgedruckt, ein Briefwechsel, der zwar für Außenstehende ein bißchen mühsam zu lesen ist, aber dafür einiges über das miefige Klima unter den ehemals eingepferchten Filmleuten sagt.

Was mit Hochmuths Buch vorliegt, ist ein Konvolut von Interviews, kurzen Bio- und Filmographien, Korrespondenzen, Texten der Filmemacher und Dokumenten, und zwar aus beiden Zeiten – vor und nach 1989. Das ist Stoff genug, um die Strukturen des ostdeutschen Filmbetriebs herauszuarbeiten, um zu zeigen, was davon übrigblieb und gleichzeitig die Regisseure zu portraitieren. Das war wohl auch Hochmuths Absicht, und im Fall Jörg Foth ist es ihm auch geglückt: Da fügen sich die Texte zur Geschichte von einem Mann, der sich höchst blauäugig auf die Mühlen des DDR-Kulturbetriebs einließ, viel Zeit verwartet hat, der sich mit allem geplagt hat, womit man sich da plagen konnte: mit dem verordneten Antifaschismus, mit Funktionären, die konfliktfreie Filme wünschten, mit ihrer elenden Hinhaltetaktik... Jörg Foth hat immerhin doch noch einen wunderbaren Film gemacht, „Letztes aus der DaDaeR“, der dieses Land genauso absurd beschreibt, wie es war. Jetzt arbeitet er in einem Zimmertheater, hat sich abgefunden und klingt halbwegs zufrieden.

Foths Geschichte ist die erste im vorliegenden Buch, das toll wäre, wenn es so weiterginge. Aber Dietmar Hochmuth hat vergessen, zu ordnen, was er zusammentrug, zu kürzen, wo es nötig gewesen wäre. Was soll einem der transkribierte Notizzettel von Peter Kahane, versehen mit Angaben zur Entstehung, als hätten die hingekritzelten Zeilen eine Revolution ausgelöst? Und was soll einem die redundante Fragerei in den Interviews, die Hochmuth geführt hat, zur gegenwärtigen Stimmung, die in Variationen daherleiert, jetzt sei es ja auch seeehr schwierig, und Geld regiert die Welt? In dem zwanzigseitigen Interview mit Thomas Heise („Stau. Jetzt geht's los“), das Hochmuth nachdruckt, ist dagegen nicht eine einzige Zeile zuviel. Sich durch den Materialwust zu kämpfen und dann auszusortieren, was brauchbar ist und was nicht, ist ein bißchen ermüdend und eigentlich Aufgabe des Herausgebers. Hochmuth überläßt sie den LeserInnen, was ein bißchen schade ist. Aber das Material ist ja da, und für die, die das Thema interessiert, lohnt sich der Aufwand, selber zu stöbern.

Dietmar Hochmuth: „Defa nova – nach wie vor? – Versuch einer Spurensicherung“. 359 Seiten, 15 DM. Zu beziehen über: Freunde der Deutschen Kinemathek e.V., Welserstr. 25, 10777 Berlin.