Brutaler Überfall auf Berliner Schüler

■ Die neuen Bundesländer bleiben auch weiterhin Ziel für Klassenfahrten / Schulverwaltung: Rügen war „Einzelfall“

Als „alarmierendes Vorkommnis“ bezeichnet die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sybille Volkholz, den brutalen Überfall auf acht Berliner Schüler während eines Schullandheimaufenthaltes in Binz auf der Ostseeinsel Rügen.

Am 11. März waren die Elftkläßler der Tiergartener Menzel- Oberschule von ungefähr 20 Rügener Jugendlichen verprügelt und gedemütigt worden. Auf dem Heimweg zur Jugendherberge in Prora hatten die Angreifer die Schüler, darunter auch ausländische Jugendliche, eingekesselt und mit Tritten und Schlägen schwer mißhandelt. Ein Berliner ausländischer Nationaliät wurde unter Schlägen zu der Aussage „Ich bin ein stinkender Türke“ gezwungen. Andere erlitten ebenfalls ernste Verletzungen. Ein Jugendlicher mußte sich wegen seiner aufgerissenen Lippe in ärztliche Behandlung begegeben. Außerdem drohten die Angreifer einer zu Hilfe eilenden Klassenkameradin, sie mehrfach zu vergewaltigen. Am Vorabend hatten mehrere mit Baseballschlägern bewaffnete Jugendliche vor der Unterkunft der Berliner Gymnasiasten die Arme zum Hitlergruß erhoben und eine Schlägerei angekündigt.

Schon vor zwei Jahren waren nach Angaben des Pressesprechers der Senatsschulverwaltung, Andreas Moegelin, Berliner Jugendliche Opfer fremdenfeindlich motivierter Angriffe in den neuen Bundesländern geworden. In einem Empfehlungsschreiben vom 10. März 1993 wurde daraufhin die Berliner Lehrerschaft dazu aufgefordert, Klassenfahrten in ostdeutsche Regionen besser vorzubereiten. Bis auf einige unbedeutende Rüpeleien hätten seitdem keine gewalttätigen Vorkommnisse mehr stattgefunden. Die jetzigen Übergriffe könnten als „Einzelfall“ bezeichnet werden.

Die Menzel-Oberschule sagte inzwischen zwei für April und Juni geplante Schülerfahrten nach Rügen ab. Die Schulleitung wendet sich jedoch gleichzeitig gegen eine verallgemeinernde Verurteilung der neuen Bundesländer. Klassenfahrten nach Mecklenburg-Vorpommern würden auch weiterhin unternommen, um fremdenfeindlichen Vorurteilen entgegenzuwirken. Der Schulrat des Bezirkes Tiergarten, Peter Schultze, forderte, gegen „die Jugendlichen, die diese Schweinereien gemacht haben“, müßten sorfältige Ermittlungen eingeleitet werden. Tatsächlich hat die Polizeidirektion in Stralsund inzwischen Strafanzeige wegen des Verdachts des Landfriedensbruches und gefährlicher Körperverletzung aufgenommen.

Um eine gegenseitige Abschottung beider Regionen zu vermeiden, forderte die Grüne Sybille Volkholz die Bürgermeisterin von Binz, Gisela Lemke, in einem offenen Brief dazu auf, „Partnerschaften für Schulklassen zu übernehmen“. cs