■ Das Zitat
: Hinkemann

„Als er im Lazarett aufwachte, betastete er seinen Körper. Er fühlte einen Verband am Bauch. Aha, dachte er, ein Bauchschuß. Da hörte er aus dem Nachbarbette eine Stimme: ,Unser Eunuch wird auch schon wach. Der wird staunen, wenn er sieht, wie sie ihn zugerichtet haben.‘ Meinen sie mich, dachte er. Warum sagen sie Eunuch? Ganz steif blieb er liegen. Schloß schnell wieder die Augen. Die Nacht schlief er nicht. Am nächsten Morgen erfuhr ers. Erst brüllte er, brüllte tagelang... wie ein gestochener Eber... aber da plötzlich merkte er, daß sein Brüllen ein schrilles Fisteln war. Und da verstummte er wieder. Er wollte an seine Frau denken. Wie es seiner Frau sagen? [...] Ich hatte Mitleid mit ihm, allein ich hatte auch ein bißchen Widerwillen gegen ihn. Wenn ich es mir überlegte, fand ich seine Lage... lächerlich. [...] Aber eines Tages kam er zu mir, und ich merkte gleich, er sah schöner aus. Man sagt es nicht von einem Mann, daß er schöner aussieht, doch es war so. Man hatte das Gefühl, er sei ein ganz anderer, einer, der reich ist, einer der glücklich ist. Und der Grund? Sein Weib verachtete ihn nicht, sein Weib haßte ihn nicht, sein Weib verlachte ihn nicht. [...] Sie war ein gesundes Weib und er ein kranker Mann... Aber er wußte, sie hatte ihn lieb, trotz allem. Das Weib hatte, wie soll ich es nur sagen,... man sollte es nicht für möglich halten ... Das Weib hatte ... seine Seele lieb.“ Aus: Ernst Toller, „Hinkemann. Eine Tragödie“, 2, IV