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■ TipHessische Alchemie

„Djadje – Last Night I Fell off a Horse“. Vier Herbert-Brödl- Filme ab So., 23.00 Uhr, bei HR 3

Die erzählte Zeit verlangsamt sich. Das dokumentarische Auge der Kamera geht als blinder Passagier auf eine Reise zwischen Tag und Trance, Mythos und trister spätkolonialer Wirklichkeit. Herbert Brödls eigenwilligen Spurensuchen in Afrika, Brasilien oder der Südsee widmet Hessen 3 ab morgen eine vierteilige Werkschau. Sie beginnt mit einer Zugreise durch den Süden Simbabwes. In „Djadje – Last Night I Fell off a Horse“ (1991) fährt die gleichnamige Südafrikanerin nach zwölf Exiljahren zum Begräbnis ihres Vaters. „Subversive Gerüche“ entführen sie in die Vergangenheit: Zimt, Vanille, Funken eines Schweißgerätes. Flüchtige Begegnungen wecken Neugier, aber auch Ängste. Als Djadje in Europa war, brachten ihre politischen Aktivitäten den Bruder in den Knast. Schließlich schenkt sie einem blinden Passagier den Paß und kehrt um. Der Weg ist auch hier das Ziel.

Brödls Vorbilder sind zumeist jene abenteuernden Europäer, die zur Jahrhundertwende auszogen, das Fremde nicht zu erobern, sondern persönlich zu erleben; mit allen verwirrenden Konsequenzen. James Robert Fletcher war so einer. Zivilisationsüberdrüssig schipperte er 1912 in die Südsee. Auf seine Fährte setzt Brödl 1987 den sinnierenden Schauspieler Ulrich Wildgruber („Inseln der Illusionen“, 7. 4.), der im Inselstaat Vanuatu reales Elend und verblaßte Legenden findet.

„Assoziationen schaffen“ möchte Brödl auch mit seinem neuen Projekt über den Völkerkundler Koch-Grünberg, der anno 1903 zu den Amazonas-Indianern reiste. Deren Mythen belebte bereits 1984 „Das Schlangenfischkanu“ (2. 4.); eine Fischerflußfahrt mit suggestiven Momenten der Ursprünglichkeit. „Trance-Atlantic“ (14. 4.) schließlich illustriert die Pilgerfahrt dreier Brasilianerinnen nach Benin zum schwarzafrikanischen Candomblé-Kult und den Wurzeln ihrer Vorfahren.

Bei aller Freude über die HR-Initiative wundert sich Brödl doch über die neue „Alchemie“ der ARD-Programmacher: „Bis Ende der 80er“, erinnert er, „waren solche Stücke noch im Ersten möglich.“Dieter Deul

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