piwik no script img

■ Schöner LebenVon Tränen

Es regnet nicht. Vor dem Kino steht eine Pfütze. Liegt eine Pfütze. Ist eine Pfütze. Die Pfütze besteht aus Tränen, vergossen in „Schindlers Liste“.

Ich treffe B. „Warst du schon?“ – „Ja.“ – „Und?“ fragt sie und bohrt einen Blick in meine Augen, „hast du geweint?“

„Natürlich,“ entgegne ich entwaffnend offen. NATÜRLICH. Weil der Mensch natürlich so gemacht ist, daß er weint, wenn er in „Schindlers Liste“ geht. Sitzt. Ist.

Dieser Blick von B. Erinnert mich an meine Bedenken, im Kino die Schleusen zu öffnen. Aufgehen zu lassen. Das Grauen als Spielfilm. Tränen, die sich zu Gold in Hollywoods Kassen verwandeln. Irgendwie nicht pi-ßi, sowas. Geschweige denn antifa wie gewohnt. (Sowieso: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“)

Die Natur brauchte einen Hilfsgedanken: Gemessen am Leiden, das mir da in Schwarzweiß mit einem winzig bißchen Rot gezeigt wurde ... was ist da mein kleines Bedenken? Mein kleiner Krampf? Komisch: Es half. Das Herz ging auf. Der Indianer kannte einen Schmerz.

Nachher war diese Pfütze vor dem Kino. Gemessen an den Tränen seinerzeit ... was ist da eine Pfütze vor dem Kino? Lächerlich? Entlastend? Eine neue Sprache über den Holocaust? Und wer bin ich, Bedenken zu tragen, ob man solch einen Text mit einer Frage schließen darf?

Burkhard Straßmann

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen