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■ „David und Diego“: Coming-out im carrousel Theater

Sebastian Hartmann Foto: Jörg Metzner

Diego ist verliebt. Seit Diego David vor drei Jahren in einem Schülertheater den Romeo spielen sah, ist es um den kultivierten Mittdreißiger geschehen. „David und Diego“ erzählt die Geschichte einer leidenschaftlichen Eroberung, erzählt von Hingabe, Verrat. Eine Liebesgeschichte aus Kuba und eine schwule Liebesgeschichte – deshalb wiegen Eroberung, Hingabe und der Verrat besonders schwer. „Es herrscht Krieg gegen uns“, sagt Diego zu Anfang. Am Ende emigriert er nach Amerika – oder begeht Selbstmord, das bleibt unklar. Beides würde wahrscheinlich auf dasselbe hinauslaufen. Denn Diego liebt Kuba und das Leben in Havanna. Er will nicht fort, er will akzeptiert werden, so wie er ist: schwul. Statt dessen sieht er sich bespitzelt.

David steht Diegos Welt erst einmal fassungslos gegenüber. Die Unschuld vom Lande, Student, hoffnungsvoller Literat und ergebener Anhänger der „sozialistischen Revolution“, ekelt sich. Schwulsein hat in diesem phrasendreschenden Kopf keinen Platz. Das soll sich ändern – zu spät freilich, die Katastrophe, die sich hier ereignet, ist älter als Davids Coming-out. Die Bühnenfassung von „Diego und David“ basiert auf einer Kurzgeschichte des kubanischen Autors Senel Paz, einem der bedeutendsten jungen Schriftsteller der Insel. Der Stoff wurde im vergangenen Jahr von Tomás Gutiérrez Alea und Juan Carlos Tabío unter dem Titel „Fresa y Chocolate“ („Erdbeeren und Schokolade“) verfilmt und auf der letzten Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet (siehe taz vom 14.2.). Fürs Theater hat Paz die Vorlage arg zusammengestrichen, die im Film zentrale Dreiecksbeziehung auf ein Duett reduziert und letztlich in ein Solo verwandelt. Dabei ist einiges auf der Strecke geblieben. So auch die eigentlich wichtigste Entwicklung, die Überwindung von Davids Vorurteilen: Plötzlich ist er ein völlig anderer – wie es dazu kam, weiß niemand. Zumal der schöne, schwarzgelockte Sebastian Hartmann in der Doppelrolle Diego/David der Eile dieser gut einstündigen Tour de force kaum wirkungsvolle Pausen entgegensetzt. Er legt ein Tempo vor, als sei er nur mal kurz vorbeigekommen und müßte gleich noch dringend woanders hin. Seltene Diagnose: das Stück ist zu kurz. Ulrich Clewing

„David und Diego“. carrousel Theater, H.-Rodenberg-Platz 1, Lichtenberg. Nächste Vorstellungen: 20.4. 10 Uhr, 18.5. 19 Uhr.

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