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Numerus clausus für Berufsschüler

■ „Diskussionspapier“ zur Umstrukturierung der beruflichen Schulen / Wird Handelsschule abgeschafft? / Lernmittelfreiheit eingeschränkt Von K. Kutter

Wenn heute früh die Vertrauensleute der GEW im Curiohaus zusammentreffen, obwohl sie es eigentlich nicht dürfen – der Sonderurlaub wurde verwehrt – haben sie genügend Stoff. Seit Anfang der Woche kursiert ein „Diskussionspapier“ von Oberschulrat Doose, das, vornehm ausgedrückt, die „Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen bei gleichzeitig reduziertem Mitteleinsatz“ vorsieht.

„Die Schulbehörde hat kein Sparkonzept vorgelegt. Das ist Quatsch“, erregt sich Behördensprecher Ulrich Vieluf über eine entsprechende Pressemitteilung der GEW. Es handele sich lediglich um ein „Arbeitspapier“, das alle denkbaren Vorschläge auflistet und nicht mit der Behördenleitung abgestimmt sei. Ein Papier in der Art, wie es zur Zeit in allen Abteilungen der Schulbehörde erstellt werde, weil das Sparen in dieser Stadt leider nicht an jener vorbeigehe. Ein Papier, das in diesem Stadium die Medien nicht zu interessieren habe.

Doch bereits vor einer Woche wurden die 77 Einzelmaßnahmen den Schulleitern der berufsbildenen Schulen vorgestellt, bis zum 22. April sollen diese Stellung nehmen. Sparmaßnahmen werden heute nicht mehr von oben diktiert, sondern mit unten diskutiert. Angenehmer macht es sie nicht. Für die Schüler zum Beispiel: Sie sollen, sofern ihr Lehrlingsgehalt 475 Mark überschreitet, ihre Lernmittel künftig selber finanzieren. Für alle zweijährigen „Vollzeitangebote“ soll es sechs Monate Probezeit geben, ohne Wiederholung. Bei mehr als 10 Prozent Fehlstunden, so das Doose-Papier, wird abgeschult.

Ganz neu: Für Besucher der „Berufsfachschulen“ soll es künftig eine Notenschwelle geben. Mindestnote in den Fächern Deutsch, Mathe oder Englisch ist eine 3,0. Auch der Übergang von Berufsvorbereitungsklasse (BVK) 8 zu 9 würde mit einer Notenschwelle versehen. Gerade im Bereich der „teilqualifizierenden“ Maßnahmen für Schüler ohne Ausbildungsplatz wird kräftig ausgedünnt. Die speziellen BVKs für Ausländer sollen ganz entfallen, Deutsch-Intensiv-Kurse sollen an private Träger übergeben werden.

„Entfallen“ sollen auch zwölf weitere Bildungsangebote, darunter die Höhere Handelsschule, das Berufsgrundbildungsjahr, die „vollqualifizierende“ Berufsfachschule für Hauswirtschaft und die Klasse 11 der Fachoberschulen. Gleichzeitig – so die Idee – wird die Nachfrage reduziert, indem die Berufsschulpflicht auf ein Jahr Vollzeitunterricht gekürzt wird.

„Insgesamt werden hier 600 Stellen zur Disposition gestellt“, konstatiert Rolf Deutschmann vom Personalrat der Berufsschulen. Der GEW-Aktivist wäre von einer Sparmaßnahme übrigens direkt getroffen. So ist unter den „globalen Maßnahmen“ neben der Erhöhung der Lehrerarbeitszeit und dem Referendar-Einsatz auch die Reduzierung der Freistellung für Personalräte vorgesehen.

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