Der Geruch des Natürlichen

■ Theater von hinten (7): Im Malersaal entstehen Pferde und Bäume aus umweltfreundlichem Material, streng nach seinem Leiter Fereydoun Parsanejad

Im Malersaal des Bremer Theaters am Goetheplatz stehen vier Paletten mit Telefonbüchern drauf. Die Bücher werden in langen Reihen auf einen Tisch gelegt, um hier auf „alt“ getrimmt zu werden. Der Einband hat nach der Umwandlung mit Farbe und Leim das charakteristische Aussehen eines recht alten Buches mit schwarz-weiß gemustertem Deckel. Bei jeder Vorstellung des neuen Kresnik-Stückes, „Der Tod und das Mädchen“, werden einige von ihnen zerstört, deshalb werden sie palettenweise angefertigt.

Im Nebenraum wird auf 814 Quadratmetern - das ist größer als ein Fußballfeld - eine Bodenplane für die Abschiedsinzenierung „Die Räuber“ von Heyme gestrichen. Daß es im Malersaal nicht penetrant nach Lacken und Plastik stinkt, ist der Verdienst von Fereydoun Parsanejad, Leiter des Malersaals und der Theaterplastik. „Ich versuche jedes Gift zu vermeiden“, sagt er. Seitdem er 1990 die Leitung übernahm, hat er 64 giftige Stoffe abgeschafft. Früher wurde viel mit Polyester und Styropor gearbeitet. Parsanejad schwört jedoch auf Naturprodukte wie Papier und Knochenleim: „Die Gesundheit meiner Mitarbeiter ist mir wichtig.“ Das Skelett für eine sieben Meter große Puppe wird zum Beispiel aus einem „traditionellen Theatermaterial“ gefertigt: Peddigrohr.

Meistens jedoch fängt die Arbeit der MalerInnen und PlastikerInnen erst an, wenn das Skelett oder Gerüst schon fertig ist. Ganz deutlich ist das bei einem Pferd zu sehen, der Stolz aller Beschäftigten im Malersaal. Auf das von den Schlossern geschweißte Skelett kommt zunächst Kaninchenmaschendraht, darauf wird dann die Muskulatur aus Papier und Leim geformt und zum Schluß wird eine Haut, ein fellähnlicher Stoff, darübergezogen. „Richtige Theatermalerei oder plastische Arbeit ist allerdings seltener geworden. Aber erst da können wir zeigen, wozu wir Maler in der Lage sind“, sagt Parsanejad.

Seit 25 Jahren arbeitet er hier im Malersaal. Am Theater aber ist er schon länger. Der gebürtige Teheraner spielte nach einer Schauspielausbildung fünf Jahre lang am iranischen Nationaltheater. Als Schah-Gegner half er bei der Organisation der großen Anti-Schah-Demo 1968 in Berlin mit. Noch am gleichen Tag wurde er verhaftet. Aus dem Gefängnis schickte er einen Brief an den damaligen Bremer Intendanten Hübner. Hübners Antwort: Komm vorbei, sobald du frei bist. „Aus sprachlichen Gründen konnte ich leider nicht als Schauspieler arbeiten“, sagt Parsanejad. Aber durch seinen Meister entdeckte er die „Faszination“ für die Maler- und Plastikarbeit.

Sein erworbenes Wissen gibt er gern an seine 10 MitarbeiterInnen weiter. Ein Ratschlag lautet zum Beispiel: „Wenn jemand einen Baum herstellt, kann er das nur wiedergeben, wenn er die Bäume im Wald studiert hat.“ Sein Anspruch auf naturgetreue Nachbildung ist groß: „Ein bißchen vom Geruch des Natürlichen, das muß in den Zuschauerraum rübergehen.“

Vivianne Agena