Sanssouci
: Nachschlag

■ Jean-Christophe Ammann sprach bei Sotheby's vor

Seltsam, wie die Wege sich am Markt verlieren. Bei aller Sorge um abgewickelte Kunsthallen war die streitbare Meinung des Dr. Jean-Christophe Ammann fast vergessen worden. Dabei wird dem Mitorganisator der documenta 5 und Direktor des Museums für Moderne Kunst / Frankfurt am 10. April der Deutsche Kritikerpreis in der Sparte Bildende Kunst verliehen. Statt seiner hatte man von Senatens Seite jedoch Kasper König vom Frankfurter Portikus zum Begutachter der städtischen Kunstinstitutionen beordert. Königs Kommentar war ein wenig nachlässig ausgefallen. Die hiesige Kritikerschaft fühlte sich nach jahrelanger Diskursarbeit vom Malerzampano, der bloß mit dem zerbrochenen Spiegel zu drohen brauchte, düpiert und stänkerte. König dagegen bekam als Aufwandsentschädigung ein Experimentier- Atelier im Künstlerhaus Bethanien zugesprochen.

Ammann nun, der sich Dr. Wulf Herzogenrath, dem geschaßten Kustos der Neuen Nationalgalerie, verbunden fühlt, hätte sein Mäntelchen nie in den Wind der Streichungspolitik gehängt. Es sei schon jetzt eine Abwanderung finanziell bedrohter Museen zur Industrie zu beklagen, deren zunehmende Amerikanisierung irreversibel wäre. Nur werde man unter deutschen Vorzeichen keine Freude am amerikanischen Kunst-Business-as- usual haben, hieb Ammann mit energisch aufgerollten Hemdsärmeln auf die Unternehmergeister zwischen Oranienburger Straße und Brandenburger Tor ein.

„Ich möchte Ihnen heute etwas über die Notwendigkeit der Kunst erzählen“, war es Ammann zu Beginn leitmotivisch entfahren, und dafür wollte er einmal noch die großen Imperative vom Guten, Schönen und Abseitigen bemühen: allesamt kategorisch und hübsch dialektisch wie blütenweiße Bettlaken zum Trocknen aufgereiht. Emotion verhalte sich zur Vernunft, so wie Ordnung mit Unordnung und Träume im Schlaf Paare bilden – ein allgemeingültiges Prinzip, das dem Nachwuchs in der „hyperrealen Medialität“ abgegangen ist. Noch sucht Ammann nach dem Allgemeinen im Besonderen: „Was unterscheidet eigentlich Jackson Pollock von Peter Paul Rubens? Ich weiß es nicht!“ Solch Kontinuierlich-Diskontinuierliches findet er am Computer nicht. Und so haderte er mit Politik und Cyberspace, zeigte eine Reihe schöner Dias aus der eigenen Sammlung und verabschiedete sich versöhnlich: „Es wird wieder gemalt werden.“ Harald Fricke