Von Haft gezeichnet

■ Bundesweit formiert sich Widerstand gegen Auslieferung des türkischen Gewerkschafters Mahmut Özpolat an die Türkei

Während der politische Flüchtling Mahmut Özpolat seit drei Monaten isoliert in der Justizvollzugsanstalt Moabit in Einzelhaft sitzt (die taz berichtete mehrfach), formiert sich bundesweit Widerstand gegen die Auslieferung des Gewerkschafters an die Türkei.

Das Berliner Kammergericht hatte Ende Februar entschieden, dem Auslieferungsbegehren der Türkei nachzukommen. Dort wird ihm „Anstiftung zum Mord“ vorgeworfen. Diese Anklage, vermutet Özpolats Anwalt Olaf Franke, sei nur ein Vorwand der türkischen Behörden, um den politisch unbequemen Mann in ihre Gewalt zu bekommen. Die letzte Entscheidung über die Zukunft des schwer lungenkranken Flüchtlings liegt jetzt beim Bundesjustizministerium und dem Auswärtigen Amt in Bonn (siehe taz vom 12. März).

Vor einer Woche startete die Menschenrechtsorganisation medico international eine bundesweite Briefaktion gegen die drohende Auslieferung des 58jährigen Türken, der seit 13 Jahren in Berlin lebt und einen Flüchtlingspaß der Vereinten Nationen besitzt. An Parteien, Prominente und Verbände wurde eine Erklärung geschickt mit der Bitte, sie an das Bundesjustizministerium zu senden. In der Erklärung macht medico international deutlich, daß politisch aktiven Menschen wie Özpolat in der Türkei die Folter droht. Eine Auslieferung bedeute deswegen „eine akute Gefahr für Mahmut Özpolats Leib und Leben“.

Die Resonanz sei bisher groß, erklärte gestern Ronald Ofteringer von medico international. Inzwischen hätten der Vizepräsident des niedersächsischen Landtages und die Fraktionen von Bündnis 90/ Die Grünen in Niedersachsen und Berlin die Erklärung nach Bonn geschickt. Rund 20 Organisationen und prominente Unterstützer kämen noch hinzu. „Das Bundesjustizministerium wird zur Zeit mit Zuschriften überschüttet“, erklärte gestern Matthias Weckerling, Pressesprecher von Justizministerin Leutheusser- Schnarrenberger (FDP), gegenüber der taz. Über den Fall von Mahmut Özpolat könne man sich noch kein Bild machen, da ein „Teil der Akten aus Berlin noch nicht angekommen ist“. Wahrscheinlich müsse man Unterlagen, etwa Zeugenaussagen, aus der Türkei anfordern. „Aber es ist fraglich, ob wir sie bekommen.“

Olaf Franke will jetzt Haftverschonung für seinen Mandanten beim Berliner Kammergericht beantragen. Nach seinem letzten Besuch, so Franke gegenüber der taz, habe er den Eindruck, daß Özpolat „von der Haft gezeichnet ist“. Der kranke Mann versuche, sich aufrechtzuhalten, aber man merke ihm den körperlichen und psychischen Verfall an. Olaf Bünger