Die sächsische Stasi im Polizeidienst

■ Zunehmende Kritik an sächsischer Personalpolitik: Bei Eggert noch immer Stasi- und SED-Kader beschäftigt

Dresden (taz) – Im sächsischen Innenministerium sind noch 1.626 ehemalige „Nomenklaturkader“ der SED und 532 einstige Stasi- Diener beschäftigt. Das geht aus der Antwort von Innenminister Heinz Eggert (CDU) auf eine große Anfrage der SPD-Fraktion hervor, die gestern vom Kabinett bestätigt wurde.

„Pfarrer Gnadenlos“, wie Eggert als Zittauer Landrat wegen seines harten Kurses gegen die SED-Nomenklatura genannt wurde, war in der vergangenen Woche in der eigenen Regierung unter Druck geraten. In seiner Antwort auf die große Anfrage der SPD hatte sich Eggert zur Weiterbeschäftigung von Stasi-belasteten Polizisten geäußert, „zu unkonkret“, wie seine Kabinettskollegen Arnold Vaatz (Umwelt) und Steffen Heitmann (Justiz) befanden. Das Kabinett hatte daraufhin die Zustimmung zu Eggerts Antwort verweigert.

Gestern nun konnte die Runde, so Regierungssprecher Sagurna, „einige Verständnis- und Lernfragen“ behandeln, „kleinere Rechenfehler korrigieren“ und das üppige Zahlenwerk verabschieden. Probleme hatten die Minister mit „Doppelzählungen“, konnte doch ein hauptamtlicher MfSler zugleich Nomenklaturkader der Partei und eifriger Polizist sein.

Nach Eggerts Auskunft waren zum 1. Januar vergangenen Jahres 161 hauptamtliche sowie 362 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter im Polizeidienst des Freistaates. 30 einst hauptamtlich bei der SED oder FDJ beschäftigte „Kader“ hängen dem profilierten Regimekritiker nun ebenfalls am Bein. Der Innenminister erklärte dazu, er habe seine Erkenntnisse über die einstigen Funktionen von Mitarbeitern „in erheblichem Umfang“ erst nach dem Stichtag bekommen.

Die inoffiziellen und offiziellen Stasi-Mitarbeiter sind, bis auf wenige Ausnahmen, inzwischen „auf Probe“ verbeamtet. Der jetzt von der SPD-Fraktion gestellten Anfrage nach der Personalpolitik in der sächsischen Polizei war monatelang und ohne große Fortschritte bereits ein Untersuchungsausschuß des Landtages nachgegangen. Die Verhandlungen des parlamentarischen Ausschusses brachten vor allem eines zutage: Im Kabinett Biedenkopf hatten sich die einzelnen Häuser, jedes für sich, bei der Personalüberprüfung ihren eigenen Reim auf die DDR-Geschichte gemacht. Im Kultus-Bereich genügte der Nachweis einer Parteischul-Ausbildung oder einer Wahlfunktion in SED oder FDJ bereits für die Rote Karte. Beim kürzlichen Landestag der Jungen Union in Sachsen hat Biedenkopf erstmals eingestanden, daß es bei Kultus „eine beachtliche Zahl“ von Fehlentscheidungen gegeben habe. Von 13.000 LehrerInnen- Entlassungen seien 5 Prozent „wohl voreilig“ gewesen. 126 verlorene Arbeitsprozesse zählt das Ressort unter dem blassen Friedbert Groß bereits. Doch während an den Schulen vor allem der Rotstift des Finanzministers regierte, leidet Sachsens Polizei chronisch an Personalmangel. Also erklärte Eggert-Sprecher Detlef Schönherr nach Veröffentlichung der Zahlen die Linie des Innenministeriums, wonach Stasi-Mitarbeit allein für eine Entlassung nicht ausreiche. Wer lediglich eine „Karteileiche“ war oder mit seinen Berichten niemandem geschadet habe, müsse nach Rechtslage weiterbeschäftigt werden. Dies treffe auf jeden der einzeln überprüften 523 ehemaligen Stasi-Bediensteten zu. Die „Grenze zur Entlassung“ sei erreicht, wo „Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit“ verletzt worden seien. Dem Eggert-Bericht zufolge liegen für 10.600 der 14.800 Polizisten und 500 sonstigen Angestellten des Innenministeriums Auskünfte der Gauck-Behörde vor. 1.100 Angestellte seien nach Einzelfallprüfung, bei der nach „etwa 30 Funktionen“ gefragt worden war, entlassen worden. dek