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SanssouciVorschlag

■ Schon fast Italo-House: Milch im Huxley's Junior

Jemand hat mir erzählt, daß Milch nach dem Ultrahocherhitzen eine leicht braune Farbe annimmt, weshalb sie wieder weiß gefärbt werden muß, bevor sie als H-Milch abgefüllt wird. Ob das nun stimmt oder nicht, es deutet an, daß dieses Getränk nicht so gesund sein kann, wie sein Image immer glauben macht. Die Band Milch wiederum zog vor einiger Zeit aus der bayerischen Heimat ins großstadtmolochige Hamburg. Dort wandelte sich das Duo von genialen Dilettanten zum Dancefloor-Act. Genau diese Geschichte stellt das Info in einem rührenden Strichbildmännchen-Strip nach: Zuerst zwei Männlein mit runtergezogenen Mundwinkeln an Gitarre und Schlagzeug, zwei Bilder weiter dann mit zerschlagenen Instrumenten und dem neuen Sound-System über beide Backen grinsend.

Vorher ließen sie sich von den Kastrierten Philosophen produzieren, spielten mit schwerverdaulichen Wortkombinationen im Bargeldschen Stile, coverten „Über 7 Brücken mußt du gehn“ und waren überhaupt so chaotisch und ideenreich, daß einem schwindlig wurde. Jetzt sind Milch schon fast Italo-House, tragen (momentan ultrahip und ultrahäßlich) Siebziger-Jahre-Adidas- Trainingsanzüge und lassen die Synthies blubbern. Dabei bevorzugen sie Sounds, die aus der Kita-Spielecke zu kommen scheinen, aber brechen sie immer wieder durch eine reichlich deplazierte Gitarre. Daß Kiss-Melodien wie „I Was Made For Loving You“ da reingesampelt werden, scheint sich zu beißen, funktioniert aber ganz prächtig. Der unterproduzierte und trotzdem jederzeit groovende Sound der neuen Platte „500“ erinnert stark an die letzte Andreas-Dorau-Platte von vor zwei Jahren – was wegen desselben Produzenten auch nicht verwundert. Weil die Klänge nicht so überborden wie an der Riviera, verbindet sie immerhin noch das reduktionistische Prinzip mit ihrer Frühphase.

Die einzige echte Differenz von Milch zur Freiluft-Disco in Rimini sind die Texte. Die sind zwar nicht mehr so assoziativ schwerblütig wie dunnemals, aber immer noch so grunzblöde reimend, daß Max Goldt seine helle Freude hätte: „Steck dir diese Welt voll in die Taschen, Mann/ Nur denk daran, daß sie ein Loch reinreißen kann“. Thomas Winkler

Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

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