Sanssouci
: Vorschlag

■ Verschworene Stile: Il Gran Teatro Amaro im Doughnut's

Foto: Peter Niehrhoff

Die nach allen Seiten abgedichtete Soundkultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts läßt leise Töne kaum noch zu. Umgeben von einer allzeit präsenten, vor sich hinblubbernden Geräuschkulisse wächst mit der Reizschwelle anscheinend das Bedürfnis nach ins Gedärm dringenden Bässen, nach körperlicher Verletzung durch Musik. Um so mehr Mut erfordert es in Zeiten wie diesen, vom Publikum das bloße, aufmerksame Zuhören zu fordern. Il Gran Teatro Amaro tun mehr als das, sie fahren die musikalische Leisetreterei bis an den Rand. Die vier MusikerInnen bespielen ausschließlich akustische Instrumente, setzen in ihren Kompositionen auf zarte musikalische Nuancen und verzichten völlig auf volltönende Klangspielereien.

Chanson, Walzer, zeitgenössische Musik, Variété, Rock, Jazz, Tango, italienische Canzoni und vieles mehr gehen bei Il Gran Teatro Amaro eine unheilige Allianz ein; die Stile haben sich verschworen und geben nur noch eine Ahnung ihres Ursprungs preis. Die Herkunft der Vier bereichert die Musik um das gesamte Spektrum europäischer Folklore und außereuropäischer Lebenserfahrungen: Pianistin, Sängerin und Akkordeonistin Roberta Possamai ist gebürtige Römerin mit wechselnden Wohnsitzen in England, Holland und Deutschland; Sänger François-Regis Cambuzat wurde in Ho-Chi-Minh-Stadt geboren und verbrachte sein bisheriges Leben in Marokko, Frankreich und Italien; Gitarrist und Percussionist Robert van der Tol und Bassist Frank van Berkel stammen aus den Niederlanden.

Passend zur wehmütigen Zeitlosigkeit ihrer Musik kommen die deutschen, französischen und italienischen Texte der Band wie altmodische Kassiber voller Weltschmerz und Sehnsucht daher. Handeln von mondhellen Nächten, von Landungsbrücken und Bahnhöfen, von der Liebe in den Zeiten des Vergessens. Dazwischen sind allerdings auch ganz andere, aktuellere Zustandsbeschreibungen zu finden. Ein „Lied an die Nationale Front“ beschwört, begleitet von einer Akkordeonmelodie, die in Frankreich lebenden Afrikaner und Araber, nicht das Land zu verlassen. Im „Sklavenlied“ wird unverblümt zum Politiker- und Profitgeier-Schlitzen aufgefordert, die Spannungsmomente im Song werden von wenigen Tasteneffekten am Piano gesetzt. Anna-Bianca Krause

Morgen abend, 21 Uhr, im Delicious Doughnut Research, Rosenthaler Straße 9, Mitte