Saiten, Sounds und Stimmbanderos

■ Das nordische Fleshquartett bringt skrupellos Rap und Klassik zusammen

Die Celli schaben und quietschen, klingen mal nach schlecht geöltem Gewinde, kurze Zeit später wie musikalische Botschaften aus dem All oder, gestrichen, wie ein Chor beleidigter arabischer Prinzessinnen. Im Background schmachtet eine verlassene Geige, vor deren Nase ein Rapper zielstrebig geradeaus singt, Samplereinsprengsel sitzen wie zusätzliche bunte Tupfer im sowieso schon reichlich farbenprächtigen musikalischen Bild. Doch was aber wäre das schwedische Fleshquartett ohne das Timbre von Freddie Wadling?

Der schon leicht ergraute Göteborger ist einer der bekanntesten Rocksänger Schwedens und hat einschmeichelnde, weiche Töne ebenso im Repertoire wie krächzende und schnarrende Charaktere. Mit den Bands Cortex, The Mobile Whorehouse und Blue for Two ist seine Vokalspur auch über die Landesgrenzen hinausgeschwappt und hat immer wieder zu Vergleichen mit Tom Waits oder ähnlich aus der Spur gerutschten Stimmbandpersönlichkeiten geführt.

Schon mit Blue for Two setzte sich Wadling ab Mitte der Achtziger stilistisch zwischen alle Stühle, für eine Hardcore-Band war deren Musik zu melodiös, für den Popbereich zu hart. Die Elektro-Wave- Formation mit schwerem klassischen Einschlag war dagegen allen Erwartungen zum Trotz keineswegs düster, ein baßartig gespieltes Keyboard und ebenso reichliche wie heftige Gitarren bestimmten die Melodien.

Auch das Fleshquartett scheint sich nicht auf eine stilistische Windrichtung begrenzen zu wollen. Die Songs zwischen Hardrock und Neoklassizismus, Avantgarde und HipHop sind ebenso eingängig wie sperrig. Das klingt wie ein Widerspruch, ist aber in der Rezeptur des Fleshquartetts ein konzeptionelles Schnippchen. Die Musiker locken die ZuhörerInnen mit Seventies-Riffs oder Dancetauglichem in bekannte Gefilde, dort aber begegnet ihnen Unerwartetes, wie zum Beispiel nach Alarmsystemen klingende Geigen oder außerirdische Stimmchöre.

Neben den fünf Instrumentalisten ist Tim Wolde für die Raps der Band zuständig, er überarbeitet mit seiner Sprachkunst sowohl kitschige Rock-Ohrwürmer als auch elektrisierende Beats. Wadling ist und bleibt dennoch die dominierende Persönlichkeit, eine Art rauhbeiniger, einfühlsamer Chansonnier, der allerdings ab und an mit ungewöhnlichen Coverversionen aufwartet. 1990 wurde sein „I'm the Walrus“ zum Aufschrei aus voller Kehle, der noch mehr eierte als das Beatles-Original; 1991 sang er sich mit einer minimalistisch schmachtenden Gefühlsfassung von „Over the Rainbow“ in die Herzkranzgefäße seines Publikums. Ob er diese Schnulzen allerdings auch 1994 noch aus der Tasche zieht, bleibt abzuwarten. Anna-Bianca Krause

Heute abend um 22 Uhr im Café Zapata, Tacheles, Oranienburger Straße 54-56, Mitte